„Wir wollen Boxen aus der Ecke herausholen“

■ „Premiere“-Sportchef Michael Pfad über Boxen, Fernsehen und das drumherum

Mächtig viel Geld hat es sich der Hamburger Pay-TV-Sender Premiere kosten lassen, Boxkämpfe des Boxstalls Universum exklusiv zu senden. Für eine Börse von 150.000 Dollar wurde der amerikanische Schauspieler Mickey Rourke eingeflogen, um das Interesse an dem Revanchekampf um die Weltmeisterschaft im Cruisergewicht (WBO-Version) zwischen Titelverteidiger Nestor Giovannini und Markus Bott zu steigern.

taz: Worin liegt für Sie eigentlich die Faszination beim Boxen?

Michael Pfad: Für mich persönlich oder als Sportchef von Premiere?

Beides!

Die Faszination ist jetzt erst gewachsen. Zuvor habe ich das sehr nüchtern betrachtet. Als Sportchef war es mir in erster Linie wichtig, neben Fußball und Eishockey eine weitere Sportart zu bekommen. Und Boxen ist in fast allen Ländern, die sich von der Situation der Medien her mit Deutschland vergleichen lassen, ein Pay-TV-Thema. Unser Ziel ist es, Boxen wieder zu einer reinen Sportart zu machen – zu einer salonfähigen. Die Langmähnigen aus der ersten Reihe, die möchte ich weg haben!

Herrscht denn nicht zwischen Boxen und Kiez eine automatische Affinität? Die Tugenden, die im Boxring gefordert werden, finden doch auch in dem Milieu Anwendung.

Ja, und auch in den USA, wo Boxen einen höheren gesellschaftlichen Stellenwert hat, sehen sie Leute am Ring, von denen sie nicht wissen wollen, was sie privat machen. Aber in erster Linie wollen wir versuchen, Boxen als das darzustellen, was es ist: eine Sportart

Wirkt Boxen nicht trotzdem durch die vier verschiedenen Weltverbände, die alle ihre eigenen Weltmeister haben und die dadurch bedingte Titelinflation unseriös?

Zweifelsohne habe ich niemals so viele windige Gestalten kennengelernt wie in den vergangenen zwei Jahren durch das Boxen. Was da teilweise in der Szene so rumläuft, ist mit Worten kaum noch zu beschreiben. Premiere hat sich wegen des unseriösen Rufes, den Boxen sich in den siebziger Jahren erwarb, bemüht, mit Klaus-Peter Kohl einen Promoter zu finden, der außerhalb jeglicher Diskussion steht. Kohl ist ebenso wie Wilfried Sauerland, der Promoter des Halbschwergewichtsweltmeisters Henry Maske, ein seriöser Geschäftsmann und würde nie mit jemandem, der aus dem Millieu stammt, zusammen veranstalten!

Mit Graciano Rocchigiani hat sich Kohl jemanden in seinen Boxstall geholt, gegen den wegen kiezüblicher Delikte, Körperverletzung und Mädchenhandel, ermittelt wurde.

Das wurde ihm unterstellt. Rocky ist aber heute tierisch bemüht, aus der Ecke rauszukommen. Natürlich ist er ein Kämpfer, der wegen seines Stils beim Milieu ankommt. Wenn es etwa zu einem Kampf Rocky gegen Maske kommt, wird die sogenannte Halbwelt sicherlich hinter Rocky stehen.

Der schmuddelige Kiezkämpfer gegen den von Bildungsbürgerblättern wie Spiegel, Zeit und Woche hofierten vormaligen Oberschüler Maske?

Ich wehre mich ein wenig gegen dieses Klischeedenken. Rocky ist, und das wunderte mich sehr, als ich ihn kennenlernte, sehr zurückhaltend, höflich und scheu. Natürlich lebt Boxen auch von den Legenden, die sich um die einzelnen Sportler ranken. Es wäre aber schön, wenn es in Deutschland wieder einen Boxer geben würde, bei dem sich sich etwas aufbauen läßt aufgrund seiner sportlichen Leistung. Es herrscht zwar gerade eine Maske-Euphorie. Doch für den gleichen Kampf, den er unlängst in Düsseldorf bestritten hat, wäre er vor zwei Jahren noch erbarmungslos ausgepfiffen worden. Ich möchte mal sehen, wie das ist, wenn Maske gegen Rocky boxt.

Wann boxen die denn gegeneinander? Gibt es da keine Schwierigkeiten mit den Fernsehlizenzen: Sie haben die von Rocky, RTL hat die von Maske.

Das, was in letzter Zeit dazu veröffentlicht wurde – nämlich, daß es da Schwierigkeiten gibt – stimmt einfach nicht. Es ist so, daß ich Rocky versprochen habe, wenn er den Kampf will, daß wir parallel übertragen – parallel zu RTL. Wir sind zu einer Vorleistung bereit. Ich glaube aber nicht, daß Maske will, daß der Fight zustande kommt. Maske weiß, das es sehr sehr schwer wird für ihn, gegen Rocky zu kämpfen.

Ihre große Hoffnung liegt neben Rocchigiani doch auch auf Dariusz Michaliszewski?

Das war ein Grund, warum wir damals den Vertrag mit Kohl gemacht haben. Dariusz hat einen Stil, den die Leute sehen wollen: Er geht direkt nach vorne und setzt den Gegner unter Druck.

Die Leute wollen also brutaleres Boxen sehen?

Was heißt brutal?

Boxen gilt doch als brutal!

Früher hätte ich das sofort unterschrieben. Noch heute habe ich Probleme, beim Schwergewichtsfight in der ersten Reihe zu sitzen. Zu sehen, was die einfangen, das ist manchmal schon echt brutal. Aber mittlerweile muß ich sagen, daß das Risiko für den Boxer kalkulierbar ist. Natürlich ist es ein brutalerer Sport als Schach, aber mit Sicherheit nicht das, was teilweise daraus bei Euch und anderen Medien gemacht wird, etwa unlängst bei einem Spiegel TV-Beitrag. Herr Aust wird übrigens am Sonnabend mit am Ring sitzen.

Der Medienrummel um Mickey Rourke macht es möglich.

Wir wollten natürlich den Medienrummel. Aber daß soviel los ist, damit haben wir nicht gerechnet. Wir alle wissen nicht, was Mickey Rourke boxerisch drauf hat – ich fürchte, nicht so viel. Ich hoffe nicht, daß die Leute damit rechnen, daß er der perfekte Boxer ist.

Der letzte Kampf von Markus Bott gegen Nestor Giovannini war ja auch keine Werbung für den Boxsport.

Es muß auch schlechte Kämpfe geben. Er hat am Sonnabend die Gelegenheit, das wieder gut zu machen. Entweder Bott packt es, oder er packt es nicht. Mein Interesse ist, weil wir in Hamburg sitzen und auch Universum hier sitzt, daß sich Hamburg zu einer Boxstadt entwickelt. Fragen:Kai Rehländer