Nur mit Glück und Telefon

■ 16jähriger Kurde entging knapp seiner Abschiebung in die Türkei

Er saß bereits in Handschellen im Untersuchungsgefängnis Holstenglacis, doch seine BetreuerInnen konnten ihn noch vor der drohenden Abschiebung retten. Völlig unvorbereitet und ohne Familie hätte sich der 15jährige Kurde Filit P. ansonsten tags darauf auf einem türkischen Flughafen wiedergefunden.

Sein Glück verdankt der Junge dem Umstand, daß er in einer Wohngruppe des Hamburger Vereins Jugendhilfe lebt. Und daß auf seinen telefonischen Hilferuf sofort reagiert wurde. Denn durch die Intervention von Jugendhilfe wurde offenbar, daß die Abschiebung von Filit vielleicht nicht rechtmäßig gewesen wäre.

Der junge Kurde lebte bis zum August mit seinem Vater, der für seinen Sohn einen Asylantrag gestellt hatte, in einer Pension. Doch plötzlich verschwand der Vater, ohne eine Adresse zu hinterlassen. Filit wurde in einer der Übergangswohnungen für minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge der Jugendhilfe untergebracht. Dies wurde auch dem zuständigen Bundesamt und der Hamburger Ausländerbehörde im August bekanntgegeben. Doch die nahmen die Mitteilung offenbar nicht zur Kenntnis.

Am 10. November beantragte Filit mit einem Betreuer in der Ausländerbehörde eine Verlängerung seiner Aufenthaltsgestattung. Die wurde ihm für den nächsten Tag zugesagt. „Über den Stand seines Asylverfahrens wurde ihm nichts gesagt“, so Sabine Kohlhof vom Verein Jugendhilfe. Als Filit am nächsten Tag alleine in der Behörde erschien, bekam er aber statt dessen eine Abschiebeaufforderung für den kommenden Tag präsentiert. Der Junge wehrte erschrocken ab und wurde nach seinen Aussagen zunächst in der Behörde festgehalten und anschließend in Handschellen ins Untersuchungsgefängnis gebracht. Zuvor hatte er seine BetreuerInnen informieren können – die ließen die Rechtslage nochmals überprüfen. Wenig später war Filit frei.

„Was wäre passiert, wenn niemand von uns telefonisch erreichbar gewesen wäre?“ fragt sich Sabine Kohlhof. Und warum wurde die Rechtslage erst nach Einschreiten des Rechtsanwaltes überprüft? Laut Norbert Smekal, Referent des Behördenleiters, läuft die Überprüfung derzeit immer noch. Denn das Bundesamt hatte die Ablehnung des Asylantrags angeblich an die alte Hoteladresse geschickt. „Vielleicht liegt hier ein Zustellungsmangel vor“, so Smekal. Unklar sei auch, ob das Asylverfahren aufgrund des Verschwindens des Vaters neu aufgerollt werden muß. Dann muß für Filit zunächst ein Vormund bestellt werden.

Auf jeden Fall, so betont Smekal, wäre Filit nicht in Abschiebehaft genommen worden: „Jugendliche unter 16 Jahren kommen da nicht rein.“ Ausweisungen von minderjährigen Flüchtlingen unter 16 seien in Hamburg selten – aber nur, weil die Verfahren in der Regel so lange dauern. Für den Fall, daß Jugendliche aber doch abgeschoben werden sollen, sei sichergestellt, daß sie in ihrer Heimat vom Roten Kreuz am Flughafen in Empfang genommen werden.

Aber noch gilt Filits Duldung. Laut Norbert Smekal hat er jedoch kaum eine Chance, in Hamburg zu bleiben, wenn die Prüfungen keinen „Zustellungsmangel“ ergeben. Trotzdem will die Jugendhilfe auf jeden Fall rechtlich gegen die Abschiebung vorgehen.

Sannah Koch