Einheitslook ist out – excentric fashion in

■ Clubwear-Outfit: Übergroße T-Shirts, Wollmützen, Armee-Look oder einfach schrill

Wer im Rhythmus des Rave- On-Blitzlichtgewitters nach dem Clubwear-Outfit blinzelt, verirrt sich leicht in den schillernden Zuckungen der Computeranimationen. Babylonische Stilfragmente prägen sich in dunklen Augenblicken auf der Netzhaut ein. Beim kollektiv praktizierten Individualtanz ist der Einheitslook out! Die Clubwear gibt es nicht. Techno ist nicht gleich Techno, auch wenn sich die Damaligen, die sich Sorgen um die heutige Jugend und ihren monoton wummernden Sound machen, dieses Klischee gerne ins Bewußtsein träufeln. Clubwear spaltet sich in Fraktionen, die bestimmte Clubs und DJs bevorzugen, die nach Amiland oder England schielen, vor allem aber favorisieren die Ravegenerationen unterschiedliche Trends.

Wohl wahr: Die Kids zwischen 16 und 20, vor allem die männlichen, schwitzen nächstens offenbar am liebsten „baggy“. Der Trend zu überdimensionierten Stoffhüllen hält nach der Prognose des „Mad Flower“-Besitzers Niklas Beckert an. Angeblich zeigt New York bereits, daß sich das alles noch steigern wird. Dort werden T-Shirts nur noch in den seltensten Fällen in der Größe M angefertigt. Zum Kastenoutfit der Youngsters gehören außerdem notwendigerweise eine Wollmütze und Turnschuhe im Blumenkastenformat. Die Marke der Clubwear-Ware ist wichtig und zugleich Wegweiser zur Familie des Ravers, HipHoppers oder Technomaniacs. Neu ist jedoch, heißt es im „Market“, daß diese Wegweiser dezenter werden. Markenwerbung auf dem T-Shirt werde künftig auf kleinere Formate eingedampft. Doch in Punkto Größe bricht auch im „Market“ die Verkäuferin in wahre Entzückungsschreie aus, wenn sich orangefarbene Breitcordhosen in dicken Rollen über klotzige Turnschuhe wölben: „Das sitzt doch perfekt“, diagnostiziert sie mit einem Blick auf die kurzen Beine des Teenies. Wie immer gilt auch hier: ... nur echt mit der Wollmütze. Kariert, gestreift oder uni. Werdende Männer sind hier das Stammpublikum. Diese Jungs, so mutmaßt der Chef, brauchen die Übergrößen, um ihre noch schmächtigen Hühnerbrüstchen zum Superbody aufzumotzen.

Eine Nummer härter bringt es die Gabby-Fraktion, Anhänger der Hardcore-Technos. Sie kleiden sich für das brutale Großstadtleben am liebsten im grauweißen Armee-Schneetarnlook, wie er im „Depot II“ über den Ladentisch wandert. „Armeelook ist eben am bequemsten“, schwappt es in einer Alkoholfahne hinter dem Tresen hervor.

Von all den Tendenzen zur Uniformierung will Bea im „Ambulance“ nichts wissen. Der Schlapp- Look ist für sie out: „Das seh' ich ja auch an meinem Mann: vor einem Jahr nur weite Hosen, aber jetzt – nee.“ Trotz der superweiten „Sabotage“-Shirts und -Jacken in ihrem Laden – sie selbst zeigt lieber Figur, oder auch nicht, je nach Laune. Irgendwie ist bei ihr irgendwie alles in, vom Schaffell über sexy „Beam me up Scotty“-Skihosen im Seventies-Styling bis zu aufgepeppten Secondhand-Anoraks. Damit steht sie nicht alleine: Die Erfinder, vor allem aber die Erfinderinnen des Rave stehen heute auf „excentric fashion“. Schräg, schrill, möglichst hautnah, dafür weniger blickdicht, bunt und heiß ist ihr Outfit. Immer individuell, möglichst der Zeit voraus.

Eine jedoch hat diese Zeit hinter sich gelassen. Melanie verkauft zwar noch Raver-Mode, auf die Events jedoch pfeift sie. Fünf Jahre war sie dabei, von Donnerstag nacht bis Montag früh, jede Woche. Drogen, Drogen, Drogen, eine Party nach der anderen. „Aber das Leben ist nicht nur 'ne Party.“ Viele ihrer Bekannten haben den Job dem Nachtleben geopfert, sie selbst war kurz davor. Krank war sie bereits, eine Nierenbeckenentzündung nach der anderen, über 20 Kilo nahm sie ab. Auch Ingo, der in Kid Paul's Plattenladen seine „Gecco – D.zinder“-T-Shirts verkauft, trauert den Technozeiten nach, als die Parties noch ohne Drogen abgespaced waren. Seine T-Shirt-Kollektion „Curare“ und auch die „Gecco“-Reihe mit Aztekenmuster sollen, nomen est omen: heilen. Der symbolische Giftpfeil „Curare“ zielt von seiner Underground-Technoszene auf die des Kommerz, der Drogen und des düsteren Brachialtechnos. Petra Brändle