Mit Kohls Sympathie

Magazin „Mut“ verklammert Bürgerliche und Rechtsradikale  ■ Von Friedel Hütz

Wer heute die mit einer Auflage von 35.000 Exemplaren monatlich erscheinende Zeitschrift Mut – Forum für Kultur, Politik und Geschichte in Händen hat, ahnt nichts von der Herkunft des Blattes. Das 18 Mark teure, auf Hochglanzpapier gedruckte DIN-A 5-Heft wirkt wie ein Diskussionsforum konservativen Gedankengutes. Ein großer Teil der Autoren ist aus Politik, Wissenschaft oder Kultur bekannt. So schrieben etwa der TV-Journalist Franz Alt, der Ministerpräsident Bernhard Vogel und Erhard Eppler (SPD) für das Blatt.

Gerade letzterer als einstiger Weggefährte Willy Brandts muß sich fragen lassen, ob er weiß, wer seine Artikel veröffentlicht: Der Herausgeber von Mut, Bernhard C. Wintzek, initiierte 1965 den „Arbeitskreis Volkstreuer Verbände“, aus dem 1970 die „Aktion Widerstand“ hervorging. Unter dem Slogan „Brandt an die Wand“ kämpfte Wintzek vehement gegen die Ostverträge und kandidierte 1972 als Mitglied der NPD für einen Sitz im Bundestag. Daneben kümmerte er sich um den Nachwuchs rechter Gruppen. 1965 gründete Wintzek Mut als Zeitschrift der „Wiking-Jugend“, der „Jungen Nationaldemokraten“ und des „Bundes Heimattreuer Jugend“.

Der Verfassungsschutzbericht führte das Blatt als verfassungsfeindliches Organ. Wegen eines Artikels zur Fernsehserie „Holocaust“ setzte die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften 1979 eine Ausgabe auf den Index. Erst 1984 verschwand Mut aus dem Verfassungsschutzbericht – nachdem man zuvor einen Artikel des damaligen Bundesinnenministers Friedrich Zimmermann (CSU) abgedruckt hatte. Mut wandelte sich vom neonazistischen Kampfblatt zum Diskussionsforum rechter und konservativer Autoren.

Maßgeblich an diesem Wandel beteiligt war Gerd-Klaus Kaltenbrunner, der seit 1984 für das Blatt arbeitet. Der aus Österreich stammende Publizist versteht es geschickt, die Grenzen zwischen Altnazis, Neonazis, Konservativen und demokratisch orientierten Rechten zu verwischen. Bereits in den siebziger Jahren gelang ihm als Herausgeber der vom renommierten Herder-Verlag veröffentlichten Reihe „Initiative“ ein Brückenschlag zwischen den verschiedenen Richtungen. Autoren wie Hanna-Renate Laurien, Thomas Nipperdey und Hans Maier gaben der Reihe einen seriösen Anstrich. Gleichzeitig erschienen Beiträge rechtsradikaler Autoren, deren politische Herkunft bewußt vertuscht wurde. Der in der Reihe publizierende Wolfgang Strauss etwa wird in den Kurzbiographien der Autoren als Widerstandskämpfer gegen den Stalinismus dargestellt. Seine Mitgliedschaft in der NPD sowie die Mitarbeit bei zahlreichen rechtsradikalen und nationalistischen Zeitschriften – Criticon, Nation und Europa, Staatsbriefe, AFP-Informationen, Europa Vorn – wird geflissentlich übergangen. Sie mußte wohl übergangen werden, da auch Kaltenbrunner für eben diese Zeitschriften schrieb und schreibt. Eben jener Wolfgang Strauss, der lange fester Mitarbeiter bei Mut war, stellte den Kontakt zwischen Kaltenbrunner und Wintzek her.

Kaltenbrunner versteht es auch als Autor, seine Inhalte geschickt zu transportieren, ohne daß man ihn eindeutig zum Rechtsradikalen abstempeln kann. Sein Aufsatz „Bestimmt Hitler die Richtlinien unserer Politik?“ beispielsweise erschien im Oktober 1986 zuerst in der Bunten und dann in den folgenden Monaten in der neonazistischen Zeitschrift Sieg, in Mut und in Schönhubers Der Republikaner.

Auch bei Mut gelingt es ihm, prominente Autoren zu gewinnen und die Leserschaft zu erweitern. Dazu nutzte Kaltenbrunner seine Verbindungen zu unbelasteten Autoren und Politikern konsequent aus. Und seine Verbindungen sind wahrlich gut: Neben dem Balthasar-Gracián-Preis (1985), dem Anton-Wildgans-Preis (1986) und dem Mozart-Preis der Goethe-Stiftung (1988) erhielt er 1986 den Konrad-Adenauer-Preis der Deutschland-Stiftung. Im Publikum saßen Franz Josef Strauß, Alfred Dregger, Karl Carstens, Theo Waigel, Heinrich Lummer und Graf Huyn. Die Laudatio hielt Caspar von Schrenk-Notzing, der die rechtskonservativ-nationalistisch orientierte Zeitschrift Criticon herausgibt und die „Republikaner“ unterstützt. Bundeskanzler Helmut Kohl begann 1988 einen Leserbrief: „Als ständiger Leser von Mut studiere ich – oft mit viel Sympathie und Zustimmung – Ihre Artikel, sehr geehrter Herr Kaltenbrunner.“

Die Kaltenbrunner verehrenden demokratischen Politiker haben sich anscheinend bisher nicht die Mühe gemacht, dessen Bücher zu lesen. Als einer der wenigen rechten Vordenker hat er eine konkrete Utopie anzubieten: Die „Elitenherrschaft“. Seiner Meinung nach sind die „Unterschiede zwischen den Menschen nicht nur sozial, sondern in hohem Maße auch genetisch bedingt“. Als antikes Modell dient seinen Vorstellungen selbstredend nicht die attische Demokratie, sondern die Diktatur Spartas, in der noch „Zucht“ geherrscht habe. Die heutigen „Grundgesetzschmarotzer sind hingegen primär individualistisch- hedonistisch gesinnt“.

Diese Theorien sind in solcher Schärfe nicht mehr in Mut zu finden. Der bereits erwähnte Wolfgang Strauss verließ das Blatt ebenso wie der heutige Berater Schönhubers Armin Mohler und der zeitweilige Schönhuber-Stellvertreter Emil Schlee. Die neu hinzukommende konservative Leserschaft sollte nicht verschreckt werden. Die Inhalte blieben jedoch – geschickt verpackt – gleich. Statt nationalsozialistischem oder nationalchauvinistischem Ideengut werden rechte Werte nur noch so weit propagiert, wie bei der erweiterten Leserschaft eine Akzeptanz zu erwarten ist. Es sind nicht mehr bekannte Rechtsextremisten, die in Mut die Schuld der Deutschen am Zweiten Weltkrieg, die Existenz von Kriegsverbrechen oder den Holocaust verleugnen. Statt dessen kommen nun die Professoren Helmut Diwald und Ernst Nolte zu Wort, die zwar Nazi-Verbrechen nicht leugnen, doch für diese Rechtfertigungen suchen und anderen Nationen die Schuld zuschieben.

Bekannte Politiker und Publizisten, die ihre Artikel und Aufsätze in Mut abdrucken lassen – und mit deren Namen das Magazin offensiv beispielsweise in der Zeit und der FAZ um neue Leser wirbt – dienen in diesem Zusammenhang als nützliche Staffage. Was ist schon schlimm an der in Mut ständig vorzufindenden Betonung des Nationalismus, wenn in der Maiausgabe 1993 auch Sachsens Innenminister Heinz Eggert (CDU) schreibt: „Mein Eindruck ist: Nationalbewußtsein ist etwas Gutes, etwas Notwendiges.“ In der gleichen Ausgabe denkt der ehemalige Bundesbauminister Oskar Schneider (CSU) über „Die Schriftsteller und die Einheit Deutschlands“ nach. Ausführlich beschäftigt er sich mit der Verstrickung deutscher Schriftsteller mit dem Kommunismus im allgemeinen und Stalin im besonderen. Der Einfluß der linken Frankfurter Schule wird als ein Schuldiger des fehlenden Nationalbewußtseins in Deutschland angegeben. Die Belastungen des Nationalgefühls durch die Verbrechen der Nationalsozialisten handelt er dagegen in wenigen Zeilen ab.

Eine solche taktisch begründete Anpassung an die Vorstellungen der Leser empfahl schon 1973 nach dem Scheitern der NPD eine unter dem Pseudonym Thora Ruth schreibende rechte Vordenkerin. In der vom ehemaligen persönlichen Pressereferenten Josef Goebbels, Wilfried von Oven, herausgegebenen Zeitschrift La-Plata-Ruf schrieb sie, man müsse vom Klischee der „Ewig Gestrigen“ wegkommen und die eigenen Aussagen neu gestalten. „Eine Werbeagentur muß sich auch nach dem Geschmack des Publikums richten und nicht nach dem eigenen. Der Sinn unserer Aussagen muß freilich der gleiche bleiben. Hier sind Zugeständnisse an die Mode zwecklos.“ Es scheint, als wäre Mut eben dies gelungen.