Kinder im Hotel: Nein, danke?

■ Hotels haben Kids auf der Rechnung, aber der Service hört beim Kinderteller auf

Nur mit Grausen denken gestreßte Eltern an ihre Hotelaufenthalte mit Kindern zurück. Gediegene Atmosphäre und Kindergeschrei passen genausowenig zusammen wie ein delikates Vier- Gänge-Menü und Spaghetti mit Pommes frites. Hotels haben Kinder zwar auf der Rechnung, von Kinderfreundlichkeit jedoch keine Spur. Allein ein Restaurantbesuch kann für Familien mit Kindern zum Spießrutenlauf werden. Strafende Blicke von Oberkellnern und Gästen treffen wie Nadelstiche, wenn die Familienoberhäupter verzweifelt die Kleinen ermahnen, nicht zu kleckern, nicht so laut zu sein und doch bitteschön auf dem Platz sitzen zu bleiben.

Alles vergeblich: Wie magnetisch vom Erdboden angezogen klirren Gläser, verschwinden Bratkartoffeln unter dem Tisch, Ketchup verschmiert in den Haaren. Kein Wunder also, daß immer mehr Familien die Hotels meiden wie der Teufel das Weihwasser.

Der Studienkreis für Tourismus in Starnberg, inzwischen abgewickelt, hat 1991 festgestellt, daß das Hotel im Inland als Urlaubsunterkunft für Familien kaum eine Rolle spielt. Nur neun Prozent wählten bei einem Urlaub das Hotel, 34 Prozent dagegen ein Ferienhaus oder eine Ferienwohnung. Bundesfamilienministerin Rönsch hat das Gast- und Hotelgewerbe zu mehr „Familienfreundlichkeit“ aufgefordert. Immerhin 73 Prozent aller Familien reisen, und damit sind „Familien für den Fremdenverkehr eine interessante Kundengruppe“, heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums.

In den USA ist der kleine Gast schon lange König. Die Hyatt- Kette hat beispielsweise Kinder- und Jugendcamps organisiert, in denen reisende Eltern ihre Kinder unter 15 Jahren abgeben können und wo sie durchgehend betreut werden. In einigen Hotels können Kinder Computer- und Sprachkurse belegen, alle möglichen Sportarten betreiben und an Programmen über Recycling, Kunst- und Handwerksaktivitäten sowie Videoproduktionen teilnehmen.

In Österreich widmet man sich besonders den ganz Kleinen. Im Oberkärntner Ort Trebesing entstand Europas „erstes Babydorf“, ein Ferienort, in dem sich von der Pension bis zum Vier-Sterne-Hotel alles um das Baby dreht. Im Babygasthof Waltlwirth sind sämtliche Zimmer computerschallüberwacht. Ein Piepser meldet sich, wenn die Kleinen schreien, eine Hotelkindergärtnerin gibt auch nachts die vorbereitete Flasche.

Insgesamt 80 Hotels haben sich zur Gruppe „Kinderhotels Österreich“ zusammengeschlossen. Alle Betriebe erfüllen Mindestkriterien wie kostenlose Baby-/Kinderbetreuung an mindestens fünf Tagen der Woche, gesicherte Spielplätze, entsprechende Ausstattung der Zimmer mit kindersicheren Geräten und Steckdosen sowie ein hohes Maß an Kinderfreundlichkeit im Restaurant.

Aktivitäten dieser Qualität sucht man in Deutschland noch vergeblich. Dennoch bemühen sich einzelne Hotelketten verstärkt um die Gäste von morgen. Das Arabella-Alpenhotel am Spitzingsee bietet von Juli bis September ein Ferienprogramm für Kinder und Jugendliche an. Je nach Altersgruppen werden Kinderolympiaden, Schnitzeljagden, Minigolfturniere und Nachtwanderungen angeboten. Zweimal wöchentlich kümmert sich ein Mitarbeiter des Hotels im Kinderclub nur um die kleinen Gäste.

Etwa 50 Prozent der Häuser der Best-Western-Gruppe bezeichnen sich als besonders kinderfreundlich. Zwei Kinder unter zwölf Jahren übernachten kostenlos im Zimmer der Eltern. Daneben gibt's spezielle Kinderprogramme, Babysitter und Spielstunden.

Auch die noble Hilton-Kette engagiert sich für die Kleinen. Im Restaurantbereich essen Kinder bis sechs Jahre kostenlos vom Buffet, zwischen sechs und zwölf Jahren zahlen sie nur die Hälfte. Zu offiziellen Festtagen bietet Hilton spezielle Kinderspielzimmer, zu Ostern mit Ostereiersuchen und zu Weihnachten mit Nikolausbesuch.

Besonderer Gag: Kinder bis einschließlich 99 Jahre übernachten kostenlos im Zimmer der Eltern. Reist also die neunzigjährige Mutter mit ihrem sechzigjährigen Filius, zahlt dieser nichts. Neben Geschäftsreisenden sind jetzt auch Familien eine Hauptzielgruppe der Novotel-Kette. In allen 31 deutschen Häusern finden Kinderfeste statt (backen, kochen, spielen, Hotel kennenlernen).

In der Eingangshalle hat jedes Novotel-Haus eine Spielecke für kleine Kinder. Großzügiger als bei anderen Hotels ist auch die Preisgestaltung: Zwei Kinder unter 16 Jahren übernachten kostenfrei auf einer ausziehbaren Schlafcouch im Zimmer der Eltern.

Ein Kinderhotel der besonderen Art steht in Uthweiler bei Bonn. Eltern, die für ein Wochenende oder ein paar Tage in der Woche ihre Kinder nicht bei Verwandten oder Freunden unterbringen können, mieten für die Kleinen ein Zimmer in der „Kinderkiste“, eine kindgerecht umgebaute Villa. Eigentümerin Elfie Meier hat 200.000 DM in die Renovierung gesteckt, kantige Heizkörper hinter runden Holzverkleidungen verschwinden lassen, Glastüren mit Schutzfolien überklebt, Fenster mit abschließbaren Griffen versehen und im Garten einen Spielplatz angelegt. Inzwischen hat die 57jährige gebürtige Flensburgerin fünf bunt tapezierte Zweibettzimmer eingerichtet und ist fast immer ausgebucht. Peter Völkner