Parkplatz oder Atom-Endlager

Für die Sanierung von Wismut-Altlasten in Wohngebieten ist bislang niemand zuständig / Parkplatz in Zwickau könnte zum Präzedenzfall werden  ■ Von Detlef Krell

Dresden (taz) – Dünne Plastikplanen bedecken die frisch ausgehobenen Erdhügel an der Otto- Hahn-Straße im Zwickauer Stadtteil Eckersbach. Ein ganz normaler Parkplatz sollte hier gebaut werden. Doch die ersten Baggerhübe brachten keinen ganz normalen Sand, sondern ein „illegales Endlager von Wismut-Sondermüll“ ans Tageslicht. So urteilt zumindest Georg Heydecke, Strahlenexperte beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).

Direkt an der Baugrube habe er eine Gamma-Strahlendosis von 0,6 Mikrosievert pro Stunde gemessen, sagt Heydecke. Immerhin das Doppelte des Wertes, der von der Strahlenschutzkommission für sanierte Wismut-Flächen bestimmt wurde. Während aber so sanierte Flächen bestenfalls als stille Parks genutzt werden dürfen, leben in Zwickau-Eckersbach 35.000 Menschen, direkt an der Baustelle steht eine Schule.

Das Straßen- und Tiefbauamt Zwickau hat das Bauvorhaben im Juni vom Landesamt für Umwelt und Geologie genehmigen lassen. Den Behörden war bekannt, daß Wismut-Material unter der Betondecke des Wohngebietes lagert. Die „Nutzung“ strahlenden Mülls als Baumaterial war in der DDR- Mangelwirtschaft ein üblicher Vorgang, ein Protokoll belegt, daß der Baugrund von der Crossener Halde stammt.

Geht es nur nach dem Landesamt für Umwelt und Geologie, soll die vor den Haustüren der Eckersbacher lagernde Halde einfach wieder unter Beton verschwinden: an Ort und Stelle, unter dem Parkplatz. „Das Zeug kommt wieder unten rein“, erklärt Pressereferentin Kerstin Jähnemann „ganz pragmatisch“. Untersuchungen hätten ergeben, daß nach Abschluß der Bauarbeiten die Strahlen-Grenzwerte unterschritten werden. Die Genehmigung sei nach strengen DDR-Gesetzen erfolgt. Nach dem Strahlenschutzvorsorgesetz der BRD wäre der Umgang mit dem in Eckersbach vorgefundenen Haldenmaterial überhaupt nicht genehmigungspflichtig gewesen. Es handle sich nicht um Sondermüll, sondern um „chemisch unbehandeltes, taubes Gestein aus der Uran-Förderung“.

Georg Heydecke sieht das anders: Zwar bestehe kein Grund zur Panik im betroffenen Wohngebiet. Doch das strahlende Material sei dort auch unter der Betondecke nicht akzeptabel. Heydecke warnte vor Gefahren für das Grundwasser. Nach der Sanierung könne das Haldenmaterial „nur fernab von Wohngebieten auf wissenschaftlich fundierte Weise verbracht werden.“ Doch wer soll das bezahlen?

Die Wismut GmbH kann bislang nicht. Nach Maßgabe des Einigungsvertrages muß die Mutter aller Strahlung nämlich nur jene Flächen sanieren, die sich ab 1962 in ihrem Eigentum befanden. Das sind rund 32 Quadratkilometer und nur ein Achtel des Gebietes, das als Verdachtsfläche gilt.

Die Sanierung des Parkplatz- Untergrundes in Eckersbach durch die Wismut könnte zum Präzedenzfall für eine Erweiterung des Sanierungszieles werden. Das sieht auch Wismut-Sprecher Werner Runge. Die Wismut sei durchaus hilfsbereit, aber vom gesetzlichen Auftrtag beschränkt. „Wenn in den die Wismut tangierenden Kommunen Schäden nachweislich durch die frühere SDAG verursacht wurden, haben wir die auf eigene Kosten beseitigt.“

Beispiel Sportplatz Crossen. Die Wismut hatte den 1970 für die Gemeinde gebaut, mit Haldenmaterial. Der Dank der Crossener war ihr damals gewiß; über die Strahlenbelastung sprach niemand. Die aufwendige Sanierung im vorigen Jahr wertet Dietmar Danner, Bürgermeister von Crossen, als „positiven Beginn“. Auch der erfahrene Wismut-Kritiker und Umwelt-Dezernent im benachbarten Oberrothenbach, Gerd Meyer, vermag Ansätze für Wismut-Engagement in den Kommunen zu würdigen. „Über den Sanierungsauftrag hinaus geschieht schon einiges. Bei uns wird jetzt eine Straße saniert, die von der Wismut mit Haldenmaterial gebaut und dann mit eigenen Schwerlastern zerfahren wurde. Das ist aber alles Ermessensfrage.“ Ein Ermessen bis an die Grenzen des Bundesrechnungshofes.

Der wahre Grund für die Ermessensgrenzen sind natürlich die Kosten. Für die vorgeschriebene Sanierung des Wismut-Erbes sind Kosten von 13 Milliarden Mark geschätzt worden, jährlich 800 Millionen stellt der Bundeshaushalt zur Verfügung. Die Gesellschaft für Strahlenschutz hatte Ende Oktober in Dresden eine kritische Neubewertung sogenannter „Niedrigstrahlung“ gefordert und die Sanierungskosten schon deshalb um „mindestens das Zehnfache höher“ angesetzt. GSS-Präsident Edmund Lengfelder drängte darauf, „alle als Folge des Uranbergbaus belasteten Flächen und Standorte genau zu erfassen“. Bei der späteren Sanierung dürften „solche Gebiete nicht ausgelassen werden, wo infolge des Bergbaus ... hohe Radonexpositionen die dort wohnende Bevölkerung belasten.“

In Crossen, Oberrothenbach, Zwickau und den anderen Kommunen der Uran-Region in Thüringen und Sachsen richten sich alle Hoffnungen auf ein neues Wismut-Gesetz. Am Entwurf sitzt eine Arbeitsgruppe der SPD-Bundesfraktion mit Spezialisten der Region, darunter auch Georg Heydecke. Frühestens Mitte nächsten Jahres, schätzt Gerd Meyer, könnte dieses Gesetz in den Bundestag eingebracht werden.