MusikalischerGrenzverkehr

■ L'Art Pour L'Arts Finale des Festivals „Fließende Grenzen“ auf Kampnagel

Wo bei anderen die Musik aufhört, fangen L'Art Pour L'Art erst richtig an. Getreu dem Motto des von ihnen ausgerichteten Festivals Fließende Grenzen bewegte sich das Ensemble für Gegenwartsmusik diesmal an den Schaltstellen zwischen Musik und Theater. Bei ihrem Finale des fast dreiwöchigen Konzert-Marathons zur zeitgenössischen Musik erweiterte sich das Ensemble um Hans-Wilhelm Goetzke zum Quartett.

Da springt einer auf einem Quadrat mit starrem Blick und „Hu“-Rufen und entwickelt ein minimalistisches Tanztheater - Dieter Schnebels Poem für einen Springer. Oder drei Musiker treten als Statue auf, aus der sich langsam Musizierbewegungen und mit dem Mund nachgeahmte Geräusche der Instrumente entwickeln - Mauricio Kagels Con voce.

Im Mittelpunkt des Programms standen aber zwei Stücke, in denen auf absurde Weise Alltagshandlungen und -gegenstände zum Musiktheater erhoben werden. Die vier Spieler in Vinko Globokars Par une l'oret de symboles verbinden musikalische Schnipsel und Sprachfetzen mit Konfetti-Werfen oder Sekt-Gurgeln. Nach dem Ruf „Licht aus“ wird mit Taschenlampen das Publikum inspiziert und ein Radio als zusätzliche Tonquelle benutzt. In Tafel I von Manos Tsangaris erschließen Astrid Schmeling und Matthias Kaul durch Klopfen oder Reiben mit Taschenlampen, Hölzern und Kreiseln die Klangstruktur eines Tisches. Wieder kommt ein Radio dazu, im Halbdunkel werden Lichter über Fäden durch den Raum gehievt. L'Art Pour L'Art fordern neue Aufmerksamkeit für einfache Gegenstände und banale Handlungen, durch die Montage erreichen sie eine eigene Komik: Selten, daß in einem Konzert so gelacht wurde.

Höhepunkt des Abends ist ein von Michael Schröder gehaltener Vortrag: „Ich nenne diesen Vortrag 'Vortrag mit Wiederholung', weil ich normalerweise jeden Satz dreimal sage“. Jedoch fordert der Text von Tom Johnson kurz darauf das Publikum auf, „mehr“ oder „genug“ zu rufen, wenn ein Satz häufiger oder weniger wiederholt werden soll. So entsteht aus dem Vortrag, der nur über die Vortragssituation reflektiert, ein zufälliges mehrstimmiges Stück mit „mehr“ und „genug“. Wie schon zuvor an diesem Abend, schleicht sich die Musik herein. Man muß sie nur wahrnehmen. Niels Grevsen