Im Reich der Hintergedanken

■ Ein Klüngelgrundkurs mit Tanz: Der ansonsten ziemlich gelungene Jugendpresseball

Alle Jahre wieder treffen sie sich, die schicken Bremer Jugendlichen, um mit Papas Kreditkarte und geliehenem Benz-Schlüssel im Parkhotel mal reich und erwachsen zu spielen. So oder ähnlich lautet der Tenor, wenn die „richtigen“ Journalisten über den Jugendpresseball der Bremer Jugendpresse (BJP), berichten. Und damit dem eigentlichen Sinn der Veranstaltung grob Unrecht tun.

Zum dreißigsten Mal lud am Freitag abend die Interessenvertretung der Bremer Jugendmedien zum Jugendpresseball ins Parkhotel. 1963 hatten sich das erste Mal auf Initative der über vierzig Jahre alten BJP 400 Gäste im Blauen Saal der Stadthalle versammelt. Mittlerweile sind es fast dreimal so viele, überwiegend junge Leute. Wie aus dem Ei gepellt tobten sie durch die eleganten Ballsäle und beklatschten höflich die Showacts und Ehrengäste wie den Präsidenten der Bremer Bürgerschaft, Dr. Dieter Klink, nebenbei Schirmherr des Förderkreises der BJP.

Wer da eigentlich einlud, war dem Gros der jungen Leute allerdings schleierhaft. „Schülerzeitungen,“ lautete noch eine der besseren Antworten von Britta, 18. Doch da war ja noch das Programm: Wie jedes Jahr galt es, das beste Jugendmedium aus Bremen und umzu zu küren. Mit 1000 Mark war der Förderpreis dotiert, den die Zeitung „Wie jetzt“ des Schulzentrums am Rübenkamp von einem jovial-onkelhaften Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst überreicht bekam, dem eigens mit dem Flugzeug vom wiesbadischen Parteitag hergejetten Henning Scherf. „Wir sind eben gut organisiert,“ freute sich Markus Ernst, 19, einer der sechs festen Mitarbeiter des Hochglanzheftchens.

„Natürlich wollen auch wir uns heute der Öffentlichkeit präsentieren,“ sagte Sören Bendig, Vorsitzender der BJP. Das gelang nur bedingt. Die eigens für den Jubiläumsball erstellte Broschüre für alle, die wenig von der BJP wußten, fand deutlich weniger reißenden Absatz als die verteilten Zigarettenproben.

Der Funktion als Haupteinnahmequelle der Jugendpresse, die ohne staatliche Zuschüsse auskommen muß, tat dies keinen Abruch. Ausverkauft war das angesagte Tanzvergnügen schon Wochen vorher; die Kasse der BJP dürfte wieder prall gefüllt sein. Aktiv ist die Interessenvertretung nämlich das ganze Jahr über, veranstaltet Seminare, hilft mit Know-How und organisiert Jugendpressegespräche. Berührungsängste hat man nicht, wenn es darum geht, honorige Größen aus Parteien und Wirtschaft zu laden. „Für die ist das eine Möglichkeit, an die Jugendlichen ranzukommen,“ sagt Bendig. „Vereinnamen lassen wir uns aber nicht. Die Erfahrung zeigt, daß die Schülerzeitungsleute kompetent und kritisch sind.“ Bislang größter BJP-Erfolg: Der Bildungssenator billigte im Mai dieses Jahres den Schülerzeitungen das allgemeine Presserecht zu, entzog sie somit ein wenig der Zensur durch die Schulleiter.

Ernst genommen wird die BJP auf jeden Fall. Viele ihrer Schreiber sind schließlich die Journalisten von morgen. Und auch in dieser Hinsicht wurde am Freitag fleißig geübt; herzlich, bald zu herzlich schien das Verhältnis der zukünftigen Meinungsmacher zu den Entscheidungsträgern aus Politk und Wirtschaft. Sehen, gesehen und vor allem wiedererkannt zu werden schien für einige Jungschreiber das Primärziel des Abends zu sein.

Bittere Lektion des Klüngel- und Filz-Grundkurses: daß ein Teil der Bremer Jugendpresse die Zeitungsmacher von morgen sind, wissen auch die Polit-Profis.

Lars Reppesgaard