■ Das Portrait
: Winnie Mandela

Winnie Mandela fand gestern nur mit Beruhigungspillen Schlaf. Am Samstag war die 59jährige Aktivistin des African National Congress (ANC) nur knapp dem Tod entkommen. Als ihr Wagen am Samstag im Stadtzentrum von Johannesburg im Stau steckte, riß plötzlich ein Schwarzer die Tür auf und schoß auf ihren Fahrer und Leibwächter. Tödlich getroffen gelang es ihm noch, den Angreifer zu erschießen. Winnie Mandela, die auf dem Beifahrersitz saß, kam mit dem Schrecken davon. Die Polizei konnte nicht sagen, ob der Überfall politisch motiviert war, oder ob der Angreifer es auf den Wagen abgesehen hatte.

Im Frühjahr 1992 hatte sich Winnie Mandelas Mann, der ANC-Chef Nelson Mandela, wegen zahlreicher Affären und Skandale von ihr getrennt. Ihre Leibwächter, in Soweto zunächst als Fußballklub bekannt, hatten mißliebige Jugendliche ermordet. Sie selber wurde wegen Kindesentführung zu sechs Jahren auf Bewährung verurteilt. Die „Mutter der Nation“, wie die gelernte Krankenschwester einst genannt wurde, verlor alle Ämter.

Doch während der letzten Wochen erlebte Winnie Mandela ein Comeback. Sie erkämpfte ihre Wiederwahl in den ANC-Vorstand der Region um Johannesburg. Und Kenner prophezeien, daß sie auch auf der ANC- Kandidatenliste für Südafrikas erste allgemeine Wahlen am 27.April des kommenden Jahres stehen wird. Ein Funktionär der Organisation meint: „Sie ist beliebt und sie bringt viele Stimmen.“

Winnie Mandela widmete sich in den letzten Monaten vorwiegend den Squattercamps rund um Johannesburg. Die Slumbewohner sehen keinen Widerspruch darin, daß sie in blütenweißer Luxuskarosse zwischen Schlammlöchern und Wellblechhütten herumkurvt.

„Sie bringt viele Stimmen“ Foto: Reuter

„Sie ist da, wo übel mit uns umgesprungen wird. Die anderen ANC-Funktionäre sehen wir nur noch im Fernsehen“, begründete ein Anhänger seine Sympathie. Während derzeit an Verhandlungstischen um Kompromisse gerungen wird, schreibt Winnie Mandela: „Der ANC schlüpft unter die Seidentücher, die ihm von der weißen Minderheitsregierung angeboten werden. Die wirklichen Interessen aber vergißt die Organisation.“ Solche Worte sprechen den Bewohnern der Squattercamps aus den Herzen. Willi Germund