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Bill Clinton umarmt China konstruktiv

Die US-Regierung ändert ihre China-Politik: Jetzt sollen ökonomische Avancen und Gesten des guten Willens Peking veranlassen, größere politische Freiheiten zu gewähren  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Irgend jemand muß ihm eingeschärft haben, beim Phototermin mit dem chinesischen Präsidenten ein sorgenvolles Gesicht zu machen. Bill Clinton wollte zumindest nicht den Eindruck erwecken, daß er sich beim Zwiegespräch mit Jiang Zemin am Freitag in Seattle besonders wohl fühle. War er es doch gewesen, der noch im US- Wahlkampf seinem Amtsvorgänger George Bush vorgeworfen hatte, die kommunistische Führung in Peking nach der brutalen Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 „verhätschelt“ zu haben. Die Verknüpfung von Menschenrechten und Wirtschaftspolitik gegenüber China hatte Clinton damals verkündet. Nun, kaum zehn Monate später, hat die Regierung einen Kurswechsel vorgenommen.

„Konstruktive Umarmung“ oder „erhöhtes Engagement“ heißt die neue Strategie der US- Außenpolitik gegenüber der Volksrepublik China. Gesten des guten Willens und ökonomische Avancen, so das Kalkül, würden die chinesische Führung am ehesten davon überzeugen, politische Freiheiten zuzulassen und sich in Zukunft bei Waffenexporten und Atomtests an internationale Abmachungen zu halten.

Handfeste Ergebnisse dieser neuen Politik wurden am Wochenende beim Gipfel des „Asiatisch- Pazifischen Ökonomischen Konferenz“ (Apec) produziert – zumindest für die chinesische Seite. In dem Bemühen, die gespannte Beziehung zwischen Washington und Peking wieder aufzulockern, hatte Clinton dem chinesischen Präsidenten nicht nur ein Zweiertreffen ermöglicht, sondern ihm auch die Exporterlaubnis für einen amerikanischen Supercomputer präsentiert. Dessen Verkauf hatte die US-Administration bislang verweigert, weil China entgegen internationaler Vereinbarungen M-11-Raketenkomponenten an Pakistan geliefert hatte. Zudem hob die Clinton-Administration das Exportverbot für Komponenten zum Bau von Atomkraftwerken auf und stellte den Verkauf zweier Satelliten in Aussicht, sollte China sich zu formalen Gesprächen über seine Waffengeschäfte bereit erklären.

Nun will die Regierung keineswegs den Eindruck aufkommen lassen, die Menschenrechtspolitik sei im Fall China ökonomischen Prioritäten zum Opfer gefallen. In Seattle präsentierte Clinton der chinesischen Führung fünf konkrete Forderungen: Erlaubnis für das Internationale Rote Kreuz (IRK), Gefängnisse zu besuchen; die Entlassung politischer Gefangener; Dialog mit dem Dalai Lama; Verbot der Gefängnisarbeit für Exportgüter; Ausreisegenehmigungen für Angehörige von Dissidenten, die in die USA emigriert sind. Die Antwort Jiangs war zwar diplomatisch formuliert, ließ an Deutlichkeit aber nichts zu wünschen übrig. „Wenn die Führer der beiden größten Länder der Welt zusammenkommen, dann gibt es wichtigere Dinge zu besprechen.“

Dem IRK Zugang zu chinesischen Gefängnissen zu gewähren, hatte die chinesische Regierung noch vor dem Apec-Gipfel in Aussicht gestellt. VertreterInnen von Menschenrechtsgruppen argwöhnen, daß Peking bestenfalls zu minimalen Konzessionen bereit ist, um die Begünstigungsklausel für Importe in die USA, den „Most Favored Nation“-Status (MFN), nicht zu gefährden. Über dessen Verlängerung muß im Juni der US- Kongreß entscheiden. Zwar hatte Außenminister Christopher in Seattle angedroht, der MFN-Status werde China entzogen, sollte sich bis dahin nicht eine sichtbare Verbesserung der Menschenrechtssituation abzeichnen. Doch China hoffe, so Mike Jendrzejckyk von der Menschenrechtsorganisation „Asia Watch“, die Handelsbeziehungen mit den USA so zu intensivieren, „daß dem Kongreß jeder Spielraum zum Entzug des MFN- Status genommen wird.“

Dieses Kalkül könnte durchaus aufgehen, zumal die US-Regierung immer wieder auf den Mißstand des wachsenden Handelsbilanzdefizits mit China hinweist. Der Besuch von vierzig deutschen Konzernchefs im Schlepptau von Bundeskanzler Kohl in China, in dessen Verlauf Aufträge von rund drei Milliarden Mark abgeschlossen wurden, dürfte der US-Regierung verdeutlicht haben, daß Zurückhaltung bei Technologieexporten in erster Linie Profite für die Konkurrenz bedeuten. Darüber hinaus steckt Washington in einem politisch-strategischen Dilemma, in der Auseinandersetzung mit Nordkorea und dessen Nuklearpolitik auf die Kooperation Chinas angewiesen zu sein.

Menschenrechtsorganisationen wie „Asia Watch“ werden sich von solchen Erwägungen in ihrer Lobbyarbeit nicht beeinflussen lassen – und sie werden im Sommer, wenn es um die Verlängerung des MFN- Status geht, bei vielen Kongreßabgeordneten ein offenes Ohr finden. Darauf hoffen vor allem die chinesischen Dissidenten wie Wei Jingsheng, einer der prominentesten politischen Gefangenen in China, der im September nach vierzehn Jahren Haft entlassen wurde. Am Ende, so schrieb Wei in einer für die New York Times übersetzten Kritik am Kurswechsel der USA, sähe sich die chinesische Bevölkerung gezwungen, zu glauben, was die Parteiführung immer gesagt habe: Daß „die amerikanische Regierung von ein paar reichen Kapitalisten kontrolliert wird, denen man nur eine Chance zum Geld verdienen geben muß“.

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