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Oskar trotzt der Wirtschaftsrealität

Der wirtschaftspolitische Hoffnungsträger der SPD kämpft mit den Strukturproblemen im Saarland / Japanische Restaurants sollen japanische Geschäftsleute anlocken  ■ Aus Saarbrücken Frank Thewes

Das Unternehmen aus dem Reich der Sinne löste mit seinem Umzug ins Reich von Oskar Lafontaine große Begeisterung an den höchsten Stellen aus. In Vertretung des kurzfristig verhinderten Wirtschaftsministers war Ministerialrat Dr. Krajewski vor Ort, um die Eröffnung des ersten japanischen Restaurants im Saarland amtlich zu würdigen: „Es ist ganz wichtig, daß ein japanisches Unternehmen den Weg zu uns gefunden hat“, lobte das Ministerium den „tollen Ansiedlungscoup“ seiner eigenen Gesellschaft für Wirtschaftsförderung. Damit seien nämlich gleichzeitig „Rahmenbedingungen geschaffen worden“, die japanische Unternehmer „vielleicht noch eher veranlassen, zu uns zu kommen“.

Kurioserweise siedelt das Japan-Restaurant ausgerechnet in den früheren Räumen des traditionellen Eßtempels „Legere“, dessen Stern am Saarbrücker Gourmet-Himmel sank, nachdem der Ministerpräsident persönlich den dort tätigen Starkoch in Landesdienste berufen hatte. Solch ein Beispiel ist gewiß nicht repräsentativ für die saarländische Wirtschaftspolitik. Und doch zeigt es ein bißchen von der Entwicklung in einem Land, in dem zwar viel Neues entsteht, gleichzeitig aber noch mehr Altes zugrunde geht.

Dieses Problem plagt vor allem Oskar Lafontaine, da die Berichte über miese Wirtschaftsdaten an der Saar seine Eignung für den Bonner Posten eines „Superministers“ nicht gebührend herausstellen. Denn immerhin kann der „bedeutendste Ökonom der SPD“ (Parteifreunde) darauf verweisen, mit seinem Amtsantritt 1985 insgesamt 35.000 neue Arbeitsplätze außerhalb der Kohle- und Stahlindustrie geschaffen zu haben. Doch allein in den letzten zwölf Monaten, so rechnet die Industrie- und Handelskammer dagegen, hat das Saarland 12.000 Industriearbeitsplätze verloren. Über 50.000 Saarländer sind derzeit ohne Job – fast 30 Prozent mehr als vor einem Jahr. Hinzu kommen 15.000 Kurzarbeiter. Die Arbeitslosenquote liegt landesweit bei knapp 12 Prozent. Im Ballungsgebiet Saarbrücken-Völklingen wird mit 15 Prozent der Durchschnittswert der fünf neuen Bundesländer erreicht.

Das alles hat vielleicht auch ein wenig damit zu tun, daß das Saarland, weil erst 1957 beigetreten, das neueste der alten Bundesländer ist. Deshalb, so argumentiert Lafontaine immer wieder, leide das Land noch immer unter den verspäteten Startchancen. Stolz verweist der Ministerpräsident auch auf eine weitere Parallele zwischen den neuen Bundesländern im Osten und dem eigenen im Westen: Lafontaines umstrittene Forderung nach niedrigeren Löhnen bei schwächerer Wirtschaftskraft erfüllen seine saarländischen Untertanen, die acht Prozent weniger verdienen als der Bundesdurchschnitt, nämlich schon lange.

Saarländer verdienen weniger als andere Wessis

„Das“, so Lafontaine dieser Tage bei einem Wirtschaftsempfang der SPD-Landtagsfraktion, „ist ein Standortvorteil, der sich leider noch nicht überall herumgesprochen hat.“ Die niedrigeren Löhne sind aber derzeit fast der einzige Ansatz, der sich von Lafontaines propagierten Wirtschaftsthesen („10-Punkte-Programm“) im eigenen Land wiederfinden läßt:

– Die Forderung nach einer stärkeren Besteuerung von hohen Privateinkommen wirkt angesichts der großzügigen – in Einzelfällen sogar rechtswidrigen – Steuerpraxis des saarländischen Finanzministeriums wenig glaubwürdig. Allerdings klagt die saarländische Wirtschaft über Gewerbesteuersätze, die den Bundesdurchschnitt um 15 Prozent übersteigen.

– Im öffentlichen Dienst des Saarlandes wird Arbeit keineswegs „intelligenter und gerechter verteilt“: LehrerInnen müssen trotz hoher Arbeitslosigkeit eine Stunde länger arbeiten. Modelle, die weniger Lohn für weniger Unterrichtsstunden vorsehen, haben keine Chance.

– Vom Anspruch einer „ökologischen Modernisierung der Wirtschaft“ ist das Saarland weit entfernt: So wertete die Landesregierung die Errichtung einer Aluminiumgießerei in Lafontaines Heimatstadt Dillingen als beispielhafte Ansiedlung – gegen den Protest der Umweltverbände.

– Pluspunkte kann Lafontaine allenfalls mit der Forschungspolitik sammeln. Die Industrie- und Handelskammer, sonst nicht gerade begeistert von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Landes, hat die stärkere Ausrichtung der Universität des Landes auf technische Fächer ausdrücklich gelobt. Doch der „Spin-off“- Effekt der auf Computertechnologie gedrillten Saar-Universität, so spottet der Saarbrücker Soziologe Josef Reindl, „reduziert sich auf ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für daheimgebliebene Informatiker“. Nur zehn Prozent der Beschäftigten an der Saar arbeiten Reindl zufolge in der Hochtechnologie – im Bundesdurchschnitt sind es doppelt so viele.

– Besonders zweischneidig ist Lafontaines Forderung nach einer Sanierung der Staatsfinanzen: Die Überschuldung des Saarlandes, als „Erbe“ von der Vorgängerregierung übernommen, ist unter Oskars Ägide auf die Rekordhöhe von 14 Milliarden Mark gestiegen. Das ist dreimal mehr als der jährliche Haushalt. Zwar hat die Landesregierung dem Bund eine Teilentschuldung abgetrotzt. Doch beim Sparen machen Kritiker eine Schieflage aus: Während in den Schulen der Rotstift regiert, hat Lafontaine die Kosten für die politische Führung des Landes aufgebläht. So leistet sich das Saarland mit nur einer einzigen Universität seit vier Jahren neben dem Bildungs- noch ein zusätzliches Wissenschaftsministerium. Die amtierenden MinisterInnen können zudem noch immer mit den bundesweit üppigsten Versorgungsregelungen rechnen. Und während sich fast alle Kabinette der Republik eine Nullrunde verordnen, steigen die Bezüge der Lafontaine-Regierung jährlich weiter an.

Nur die Regierung selbst spart nicht

Der „designierte Superminister“ selbst sieht jedoch vor allem die Kritik an seiner Politik als großes Wirtschaftshemmnis. „Das Horrorgemälde realer und vermeintlicher Probleme unseres Standortes in der Öffentlichkeit“, so Lafontaine kürzlich, „schädigt das Ansehen unseres Landes sehr.“ Inhalt und Stil „einiger Stellungnahmen zum Zustand der saarländischen Wirtschaft hätten nicht dem entsprochen, „was ich mir unter einer gemeinsamen Anstrengung vorstelle und was das Land jetzt braucht“. Damit zielte Lafontaine vor allem auf die jüngste Wirtschaftsprognose, mit der die Industrie- und Handelskammer dem Saarland noch schwerere Zeiten prophezeit. Noch gnadenloser ist dagegen die Kritik aus einer anderen Richtung. Die eher links orientierten Saarbrücker Hefte hatten der saarländischen Wirtschaftspolitik vor einigen Monaten einen Themenschwerpunkt gewidmet. Ihr Fazit: Bei Oskar Lafontaine handele es sich weniger um einen „charismatischen und ideenreichen Politiker, sondern vielmehr um einen begnadeten Gag-Produzenten und Selbstdarsteller“.

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