Fürs Herz das Rechte

■ Thalia-Premiere: „Der Zauberer von Oz“

Ganz schön unheimlich Der Zauberer von Oz. Schon gleich zu Beginn, wenn der Orkan aufzieht, der Dorothy (Cornelia Schirmer) mitsamt dem Haus aus Kansas wegreißt und in das Reich des Oz verschlägt, geht es tösend ans Eingemachte: Lauter Donner und grelle Blitze ließ einigen Knirpsen am vergangenen Sonntag nachmittag das Herz in die Hose rutschen. So sah man im Thalia Theater dann einen Vater seinen Sohn tröstend in den Arm nehmen, oder schnell ins Foyer eilen.

Wenn Dorothy aber auf die gute Hexe des Westens trifft, ist aller Schrecken vergessen. „Ep-pe, pep-pe, kak-ke! Hil-lo, hol-lo, hel-lo! Ziz-zy, zuz-zy, zik!“, beschwört die Hexe (Sandra Flubacher) einen Klumpen Spucke in ihrer Hand. Die Frau ist Dorothy sehr dankbar, weil sie mitsamt ihrem Haus auf der bösen Hexe des Ostens gelandet ist und diese damit erschlagen hat. Nun will die Hexe dem Mädchen helfen und liest - zur Freude der zuschauenden Kinder - aus ihrem Speichel, daß Dorothy den Zauberer von Oz finden muß, wenn sie wieder nach Hause möchte.

Auf der Reise lernt sie allerlei skurrile Gestalten kennen, die recht wirklich merkwürdig sind, aber das Herz auf dem rechten Fleck haben. Obwohl gerade der Blechmann (Erdogan Atalay) behauptet, kein Herz zu haben: „Ich bin völlkömmen leer“, klagt er, der statt „O“ immer „Ö“ sagt und wünscht sich nichts sehnlicher, als wieder dieses pochende Organ in seinem Leib zu spüren. So schließt sich Herr Blech Dorothy an, um von dem Zauberer von Oz auch seinen „Herzenswunsch“ erfüllt zu bekommen.

Ganz hervorragend verstand es Regisseur Wolfram Starczewski jeder Figur einen eigenen Charakter zu verleihen. Man wünscht sich Strohmann, Blechmann und Löwe schon fast als Kuscheltier, so sehr hat man sie am Ende der Veranstaltung ins Herz geschlossen. Sehr schön auch, daß hier nicht der mahnende Zeigefinger erhoben wird, um den Kindern etwas „mit auf den Weg“ zu geben.

Es gibt auch keine Witzchen mit einem Augenzwinkern in Richtung der Erwachsenen: Eben ein Kinderstück wie es sein sollte. Bleibt als einziger Wermutstropfen in dem farbigen Cocktail, daß die speziellen Soundeffekte für empfindliche Kinderohren doch oft ein wenig zu laut wurden.

Und noch ein Hinweis für die Eltern: Über die Lehne des Sitzes sollte das Kind schon hinwegsehen können, denn es ist eben manchmal ein bißchen unheimlich. Das kleine Mädchen in Reihe 12 fand die Verwandlungskünste von Oz jedenfalls ein wenig zu gruselig und wiederholte beharrlich: „Mama, ich möchte weg. Ich möchte jetzt gehen.“ (Sie blieb bis zum Schluß).

Andrew Ruch