„Bleiben Sie einfach cool“

■ „Polizei im Gespräch“: Ignaz Bubis stellte sich den Fragen Hamburger Polizisten / Diskussionsansätze folgenlos?   Von Julia Kossmann

Was hat es mit dem Antisemitismus in Deutschland auf sich? Wie können sich junge deutsche Polizisten verhalten, wenn sie von orthodoxen Juden als Nazis beschimpft werden? In der Veranstaltungsreihe „Polizei im Gespräch“ sprach gestern Ignaz Bubis, Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland, in der Handwerkskammer zu Hamburger Polizisten.

1992 wurden in Deutschland mehr als 80 Anschläge auf jüdische Gedenkstätten und Friedhöfe verübt, aber über deren Schutz wurde nicht gesprochen. Hatten die Hamburger Ordnungshüter doch annähernd traumatische Erlebnisse, als sie im Mai 1992 den Vertretern der orthodoxen jüdischen Organisation Athra Kadisha am Bauzaun des Hertie-Karrés in Ottensen gegenüberstanden, und waren sie doch „mit Worten“ erheblich verletzt worden, so Staatsrat Dirk Reimers, von den Roma und Sinti, die im Mai dieses Jahres vor der KZ-Gedenkstätte Neuengamme lagerten, um ihrer Toten zu gedenken und auf ihre aktuelle Situation aufmerksam zu machen.

Hier nun also sollte Ignaz Bubis Ratschläge geben, welches Verhalten in solchen Lagen schicklich sei. Das tat er aber nicht, er könne – egal ob ein Polizist nun als „Scheißbulle“ oder als „Nazi“ tituliert werde – nur empfehlen, „cool zu bleiben“, weitere Hinweise müßten die Psychologen geben. Die Bemerkung eines Ausbilders im Publikum, in Ottensen hätten ältere Kollegen den jüngeren den Tip gegeben, einfach mal richtig draufzuschlagen, wäre ein Ansatz zu einer offeneren Diskussion gewesen, aber sie blieb folgenlos, ja, war beinahe schon wie ein peinlicher Verrat.

Bubis sagte, daß er selbst Anfang des Monats in Frankfurt von Vertretern der Athra Kadisha angegriffen worden war, da ihnen seine Art des Umgangs mit dem alten jüdischen Friedhof in Frankfurt nicht paßte. Trotzdem würde er keinem Juden sagen, er solle nicht demonstrieren, weil das den Antisemitismus schüre: „Demonstrationsfreiheit hat für alle zu gelten“.

Und er streifte natürlich auch das Thema Heitmann. Spitzenpolitiker hätten sich vertrauensvoll an ihn gewandt und ihm erklärt, wenn er gegen Heitmann Position beziehe, schüre er damit doch den Antisemitismus. Was Bubis nicht gelten ließ, denn dann müsse sich ein Rau-Gegner auch sagen lassen, den Anti-Protestantismus zu befördern. Trotzdem sprach er sich für eine Normalisierung aus, ohne zu verdrängen. Es gehe nicht um die Festschreibung eines Schuldkomplexes, sondern darum, nicht zu vergessen, damit solche Verbrechen sich nicht wiederholen.