Hauptsache, es wird gedenkt

Dublin (taz) – Schottland ist reich an märchenhaften Geschichten – manche haben einen allzu realen Hintergrund. Im vergangenen Mai erschien bei dem 55jährigen Bauern Craig Baird „ein Mann aus Yorkshire“ und bot ihm Geld an. Als Gegenleistung wollte er einen Gedenkstein auf Bairds Hof bei Glasgow aufstellen. Der Text auf dem Marmorblock: „Dieser Stein kennzeichnet den Punkt, auf dem der mutige, heroische Rudolf Hess in der Nacht des 10. Mai 1941 mit seinem Fallschirm gelandet ist, um den Krieg zwischen Großbritannien und Deutschland zu beenden.“ Baird, dessen Vater und Großvater sich damals um den ungeladenen Gast gekümmert hatten, nachdem er vom Himmel gefallen war, ließ sich dadurch jedoch nicht beirren: „Ich dachte, der Text bezieht sich auf die Art und Weise, wie Hess in Schottland gelandet ist. Er drehte sein Flugzeug auf den Kopf und sprang mit dem Fallschirm heraus.“ Baird wunderte sich auch nicht, als seine Wiese allmählich zum Wallfahrtsort für Menschen aus dem In- und Ausland wurde. „Das waren alles Touristen“, erklärte Baird. Auch Wolf Rüdiger Hess, der Sohn des Ober- Nazis und Hitler-Stellvertreters? Die örtlichen Behörden kündigten letzte Woche an, gegen den Gedenkstein „wegen fehlender Baugenehmigung“ vorgehen zu wollen. Diese Arbeit nahm ihnen eine Gruppe heroischer Antifaschisten aus Glasgow ab, die den Stein am Donnerstag zertrümmerten. Baird will an der Stelle jetzt einen „Gedenk-Findling“ aufstellen, weil dort „schon irgendeine Art von Gedenktafel stand, als mein Vater noch das Land bestellte“. Genau: Hauptsache, es wird gedenkt. Ralf Sotscheck