■ Tennis
: Verflixt und zugenäht

New York (dpa) – „Ein verflixtes Jahr“ nannte Martina Navratilova die Saison 1993, die nun mit dem Masters-Sieg von Steffi Graf zu Ende ging und von dem Attentat auf Monica Seles und Verletzungen zahlreicher Spitzenspielerinnen überschattet war. Steffi Graf, die durch das 6:1, 6:4, 3:6, 6:1 gegen Arantxa Sanchez-Vicario (Spanien) ihr drittes Masters gewann, konnte ihrer 37jährigen Kollegin nur beipflichten. „Ich bin froh, daß 1993 vorbei ist, weil ich endlich gesund werden will“, sagte die 24jährige, die derzeit von einer Entzündung im Rücken geplagt wird. Seit den French Open hatte die trainingsbesessene Perfektionistin nicht mehr richtig trainieren können, und auch am Sonntag hatte sie sich vor dem Spiel spritzen lassen müssen, um schmerzfrei zu sein. „Ich wußte nicht genau, wie es sein würde. Deshalb wollte ich keine Zeit verschwenden und das Spiel so schnell wie möglich zu Ende bringen“, gab Steffi Graf zu. 250.000 Dollar war der 79. Turniersieg ihrer Karriere wert, und damit schraubte sie ihre Preisgeldeinnahmen aus dieser Saison auf die Rekordsumme von 2.821.337 Dollar.

Trotz der sportlichen Erfolge, die ihr nicht zuletzt durch das Seles- Attentat 1993 leichter zufielen als zuvor, ist die Brühlerin nachdenklich geworden. „Eine Verletzung nach der anderen. Langsam muß ich aufpassen. Mein Körper ist mein Kapital. Man kann ihm gewisse Dinge zumuten, aber irgendwann ist das zu Ende. Es wird 1994 Veränderungen bei mir geben, und darauf freue ich mich.“ Steffi Graf will den Schläger wechseln und mit Spezialtraining und Krankengymnastik Verletzungen vorbeugen.

Nach zehn Tagen Tennis-Pause wird die Deutsche vier Schaukämpfe in Südamerika spielen und erst Mitte Dezember wieder ernsthaft mit dem Training beginnen. Auch dem gesamten Damen-Tennis wird die Pause bis ins neue Jahr guttun. Neben Steffi Graf und Monica Seles waren 1993 auch Jennifer Capriati, Mary-Joe Fernandez (beide USA) und die Argentinierin Gabriela Sabatini für mehr als einen Monat ausgefallen. „Wir freuen uns alle auf 1994, wenn hoffentlich wieder alle gesund sind“, so Arantxa Sanchez-Vicario, „ich bin enttäuscht über die Niederlage, aber ich habe alles gegeben, und Steffi war besser. Sie hat verdient gewonnen. Wenigstens war ich erstmals im Finale.“

So waren am Ende alle zufrieden. Steffi Graf mehr, Sanchez-Vicario weniger, und die 17.000 Zuschauer im Madison Square Garden mehr oder weniger, weil das Finale die hohen Erwartungen nur selten erfüllte. Eine angeschlagene Steffi Graf gegen eine vom dreistündigen Halbfinale ausgelaugte Arantxa Sanchez-Vicario, die wegen Schwindelgefühlen kurz vor der Aufgabe stand. Selbst die zahlreichen „Vamos Arantxa“-Rufe der New Yorker Fans waren umsonst. Nach kurzen Konzentrationsschwächen riß sich Steffi Graf in den wichtigen Momenten des zweiten Durchgangs zusammen und schaffte das satzentscheidende Break zum 5:4. Am Ende mußte sich die Spanierin behandeln lassen, nahm Tabletten, kämpfte. 6:3 gewann sie nach dramatischem Kampf den dritten Satz, zwang Steffi Graf in die Verlängerung. Aber die Weltranglisten-Erste behielt die Nerven.

Auch das Masters-Debüt von Anke Huber, die Steffi Graf beim unglücklichen 2:6, 6:3, 3:6 im Halbfinale am Rande einer Niederlage hatte, konnte sich sehen lassen. „Besser hätte ich mein Jahr nicht beenden können. Es war das beste Jahr meiner Laufbahn“, meinte die 18jährige.