Wahl in Italien: Stiefeltritt ins schwarze Loch

■ Bei dem Kommunalwahlen triumphieren Ex-Kommunisten und Neofaschisten

Die Kommunalwahlen in 428 Städten Italiens haben zu starken Verschiebungen geführt: Die elf Millionen Wahlberechtigten haben die in Rom regierenden Christ- und Sozialdemokraten, Sozialisten und Liberalen ebenso wie die bis vor zwei Jahren mit ihnen verbündete industrienahe Republikanische Partei nahezu zum Verschwinden gebracht; zusammen errangen sie nicht einmal mehr 15 Prozent (bei den vorangegangenen Gemeinderatswahlen waren es noch 55 Prozent, bei den Parlamentswahlen 1992: 52 Prozent).

Gewonnen haben recht verschieden gewirkte Allianzen, die sich um die KP- Nachfolgeorganisation „Partito democratico della sinistra“ (PDS) gruppierten, in Oberitalien die dort bereits seit den Teilwahlen im Juni starken „Ligen“ (Anteile zwischen 25 und 35 Prozent) – und mit einem über alle Befürchtungen hinausgehenden Anteil in Rom und Neapel die Neofaschisten vom „Movimento sociale italiano“ (MSI). In Palermo siegte der ehemalige Christdemokrat Leoluca Orlando, Chef der vor zwei Jahren gegründeten Antimafia-Formation „la Rete“, mit überraschenden 75 Prozent.

In den meisten Städten sind für die Besetzung des Bürgermeisteramts Stichwahlen nötig geworden, weil kein Kandidat die absolute Mehrheit erreicht hat. Etwa in Rom, wo sich der von der PDS und einigen anderen Querbeet-Allianzen unterstützte Grüne Francesco Rutelli (43 Prozent) mit dem Neofaschisten Gianfranco Fini (36 Prozent) messen wird; so auch in Neapel, wo Mussolinis Enkelin Alessandra (31 Prozent) auf den PDS-Gewerkschaftler Antonio Bassolini (42 Prozent) trifft. Stichwahlen auch in Venedig, in Triest und in Genua. Stärkste Partei bei den Gemeinderatswahlen wurde in Rom und Neapel die MSI, in den norditalienischen Großstädten die nach Auflösung des Nationalstaates rufenden „Ligen“.

Die sind jedoch trotz dieses Erfolges nicht zufrieden. Der von ihnen erhoffte Durchmarsch aus ihrem Stammland Lombardei an die Küsten Liguriens und des Veneto ist, jedenfalls was die Bürgermeister betrifft, nicht gelungen. Die Ligen brachten ihre Kandidaten nicht einmal überall in die Stichwahl. Das feiern die anderen Parteien als Sieg – und verdecken damit, daß die wahren Nutznießer der Auseinandersetzung mit den „Ligen“ nicht die gemäßigten Parteien sind, sondern der nationalistische MSI.

Für die vorzeitigen Neuwahlen im Frühjahr sind diese Ergebnisse gleichwohl nur beschränkt aussagefähig. Da sind nämlich keine breitgestreuten Listenbündnisse möglich: jeder kämpft für sich allein, und gezählt wird nicht nur in den großen Zentren, sondern auf Landesebene. Dort aber erhoffen sich auch die diesmal vernichtend geschlagenen bisherigen Regierungsparteien noch stabile Refugien ihrer alten Klientel. Werner Raith, Rom

Tagesthema Seite 3, Kommentar Seite 10