„Behelfs-Neu“ und andere Provisorien

■ Gestern wurde die Markthalle am Alexanderplatz nach gut einem Jahr Bauzeit wieder eröffnet / 60 Händler und viele Restaurants / Einige Geschäfte sind noch gar nicht fertig

„Alles Lug und Trug hier“, schimpfte gestern morgen ein Mann in der Karl-Liebknecht- Straße am Alex. Viele Neugierige hatten sich schon um neun Uhr morgens vor der Tür der Markthalle eingefunden, um bei der Eröffnung mit dem „3 tolle Tage“- Programm dabeizusein. „Was in der Zeitung stand, muß nicht stimmen“, vertröstete ein „Safety“Mitarbeiter die Frierenden auf die offizielle Eröffnung um 10 Uhr und empfahl einen Besuch in der schon geöffneten Snack-Bar.

Hastig wurden in der letzten Stunde noch Eimer mit schmutzigem Wischwasser heraus- und Kisten mit Würsten und Blumenkübel hineingetragen. Die neu eröffnete Markthalle hat mit der 1886 erbauten Zentral-Markthalle, die 1967 abgerissen und ein Jahr später etwas versetzt wieder aufgebaut wurde, nur noch wenig gemein. Wo früher lebende Hühner und Obst und Gemüse im Karren feilgeboten wurden, preisen jetzt Filialen wie Kaiser's Supermarkt, der mit 1.000 Quadratmeter das größte Areal der insgesamt 9.000 Quadratmeter großen Verkaufsfläche einnimmt, ihre Waren an. Insgesamt gibt es 60 Händler, die von Fleisch und Wurst über Blumen, Bekleidung und Fisch bis hin zur Dauerwelle unter dem 48 Meter langen Glasdach alles anbieten, was auch in jedem Kaufhaus zu haben ist.

Die 1990 gegründete Genossenschaft, der sich auch die 23 Händler aus DDR-Zeiten angeschlossen haben, um „ihre Halle“ nicht ausschließlich großen West-Filialen zu überlassen, hat einen 20-Jahre- Mietvertrag mit der Wohnungsbaugesellschaft Mitte abgeschlossen, die 45 Millionen Mark investiert hat. Der Vertrag mit Option auf Verlängerung garantiert den Einzelhändlern, die 20 Millionen Mark in die Ausstattung ihrer Stände gesteckt haben, einen Quadratmeterpreis von 65 Mark.

Nach einem Besuch bei „Schuhwaren Neumann“, Souvenir „Schnick-Schnack“, im Betten- Center oder einer der vielen Boutiquen bieten bis in die Nacht geöffnete Bars, Restaurants und die einzige Markthallenbrauerei Europas, deren Kessel gestern noch im Probelauf waren, Platz für 1.200 Gäste. McDonald's hofft, in seiner ersten Ostberliner Filiale täglich bis zu 4.000 Mäuler zu stopfen, was bei den erwarteten 18.000 Besuchern täglich mindestens jeder vierte wäre.

Noch nicht alle Geschäfte waren gestern fertig. Einige waren noch mit Bauarbeiten beschäftigt, andere hatten provisorisch eröffnet. Das Kosmetikstudio „typisch“ wies mit dem Eröffnungsschild „Behelfs-Neu“ auf die improvisierte Inneneinrichtung hin. Der Vorstandsvorsitzende der Genossenschaft der privaten Gewerbetreibenden, Reinhard Wiese, gab dann auch zu: „Acht Tage täten uns vielleicht noch gut.“ Barbara Bollwahn