■ Das Portrait
: Massimo Cacciari

Als er 1987 beschloß, nicht mehr für die Kommunistische Partei ins Parlament zu gehen, weinte ihm kaum einer nach – zu sehr hatte sich Massimo Cacciari, Professor für Ästhetik an der Universität Venedig und nach dem ersten Wahlgang vom Sonntag nun aussichtsreichster Kandidat für das Amt des Bürgermeisters der Lagunenstadt, von den strammen Marxisten wie auch von den Pragmatikern seiner Partei entfernt. Zum Entsetzen alter Partisanen und Linksideologen setzte er sich mit Rechtsintellektuellen an einen Tisch, um über die Tatsache zu diskutieren, daß moderne linke und rechte Denker oft dieselbe Kritik am Staat und der Gesellschaft üben und diese auch oft aus der Auseinandersetzung mit den gleichen Autoren entwickelt haben, etwa Nietzsche, Heidegger oder Carl Schmitt. Dann schrieb er ein vielbeachtetes Werk über Ikonen – das der atheistischen Linken übel aufstieß.

Vor der totalen Kommerzialisierung seiner Stadt warnte Massimo Cacciari schon, als die Venezianer noch immer auf Fremdenverkehr und Kunstgigantismus setzten. Inzwischen ist offensichtlich, daß weniger das Hochwasser die Stadt zu versenken droht als die Mega-Massen ihrer Besucher und Großveranstaltungen wie das Gipfeltreffen der G 7 oder das Konzert der Pink Floyd.

Venedigs künftiger Bürgermeister Foto: taz-Archiv

Leicht wird es Cacciari als Bürgermeister nicht haben (immer vorausgesetzt, daß er bei der Stichwahl am 5. Dezember seine 42 Prozent noch auf die notwendigen 50 Prozent ausbauen kann): Die Koalition, die ihn gegen den Kandidaten der Liga (26 Prozent) stützt, ist recht heterogen und reicht von den beiden an sich zerstrittenen Nachfolgeorganisationen der KPI bis zu den Grünen und der Antimafiabewegung la Rete; für einen Sieg braucht er auch noch den Konsens eines Teils der Christdemokraten.

Divergierende Interessen. Doch Cacciari gehört zu jenen, die so lange diskutieren und dabei das intellektuelle Niveau der Auseinandersetzung unentwegt höherschrauben, bis den anderen die Argumente ausgehen. In der alten KP sah man das nicht gerne, doch gerade angesichts der Notwendigkeit zu breiten Koalitionen könnte sich diese Fähigkeit als die einzig tragbare Polittugend neuer Administratoren erweisen. Werner Raith