Von spanischen Skinheads erschlagen

■ Rechtsradikale Randale an Francos Todestag in Madrid

Madrid (taz) – Der 27jährige Jesús Sánchez saß auf einem Platz in der Madrider Innenstadt und rauchte einen Joint, als sich die Schläger auf ihn stürzten. Das war am Samstag, dem Todestag des früheren Diktators Franco. Blutüberströmt, mit einer riesigen Wunde im Kopf, konnte sich der 27jährige noch in die Nähe seiner Wohnung schleppen, wo er am nächsten Morgen gefunden wurde. Es seien Skinheads gewesen, erklärte der Schwerverletzte seinem Bruder, bevor er ins Koma fiel. In der Nacht zu Montag starb er in einem Krankenhaus. Von den Mördern fehlt jede Spur.

Der Tod von Jesús Sánchez löste Erschrecken in Spanien aus, wo rechtsextremistische Gewalt erheblich zugenommen hat. Genau ein Jahr ist es her, daß die Dominikanerin Lucrecia Pérez von einem rechtsradikalen Polizisten erschossen wurde. Am 20. November, dem Todestag des Caudillo Franco und seines Ideologen Primo de Rivera, war die Innenstadt von Madrid seit jeher in den Händen des randalierenden frankistischen Nachwuchses. In den vergangenen Jahren rekrutierten sich die Rechtsextremisten vor allem aus wohlsituierten altfrankistischen Familien und führten ein politisches Schattendasein. Die proletarischen rechten Jugendlichen des Fußballvereins „Ultras Sur“ konzentrierten ihre Randale auf Fußballspiele. Nun kommen Neonazis und Skinheads zunehmend in Mode. Während die Madrider Polizei 1991 noch drei Fälle rechtsextremistischer Gewalt meldete, sind es in den ersten zehn Monaten dieses Jahres bereits mehr als 130.

Wie in ganz Europa ziehen die meist jugendlichen Rechtsextremisten in Gruppen los und greifen bevorzugt dunkelhäutige Ausländer, Drogenabhängige, Bettler, Schwule und Transvestiten an. Anders als in Resteuropa teilen sich die Rechtsradikalen jedoch in zwei Hauptgruppen: Die Jugendlichen aus den Arbeitervierteln, die als die „harten“ Schläger gelten und die Söhnchen (und Töchter) aus gutem Hause, denen der Frankismus zu altbacken geworden ist und die sich langsam dem Nationalsozialismus zuwenden. Außer den Fußballklubs scheint es bislang keine größere Organisation zu geben. Die nationalsozialistische Organisation „Cedade“ bestreitet meist jegliche Verbindung zu rechtsradikalen Schlägern.

Angesichts der Angriffe rechter Schläger hat die Madrider Polizei eine Sondertruppe gebildet, die die „städtischen Stämme“, wie die rechtsradikalen Banden euphemistisch genannt werden, kontrollieren soll. Am vergangenen Wochenende, als wieder mal des Diktators gedacht wurde, sollte die neue Sondertruppe erstmalig in Aktion treten. 28 Rechtsradikale wurden festgenommen, darunter vier extra angereiste Franzosen. Nach den Ausschreitungen fand der konservative Madrider Bürgermeister Alvarez del Manzano vor allem eins erstaunlich: daß man neben der Gedenkveranstaltung für Franco auch noch eine linke Protestdemonstration genehmigt hatte. Antje Bauer