Frischling und Ungeduld

■ Schauspielhaus: Hamburg-Premiere von F.K. Waechters „Kiebich und Dutz“

In einer Pupskiste ohne Kontakt nach Außen lebt Kiebich. Alles, was er von der Welt weiß, hat er aus dem Comic „Rakis Reise in die Welt“. Mit ihm in dem abgeschlossenen Würfel befindet sich ein Kissenberg, aus dem heraus Dutz geboren wird. Nun, wo Kiebich einen Kameraden hat, möchte er seine aus der Bildergeschichte gezeugten Sehnsüchte nach der weiten Welt befriedigen, doch die Kissengeburt hat klägliche Angst. So beschließt Kiebich irgendwann frustriert, allein aufzubrechen. Diese Geschichte dauert eine Stunde und endet in der Pause.

Im zweiten Teil entdeckt Kiebich, daß die Welt ganz uncomic-haft öd und leer ist, bis er die rätselhafte Schachtel Nickel findet, die mit synthetischen Klangspielen und metallischer Echostimme versucht, Kiebich in sich hineinzuziehen. Zwar kommt irgendwann Dutz, der mutig seine Trutzburg verlassen hat, aber Kiebich ist schon ganz der Faszination der Maschine erlegen und kriecht in sie hinein. Dutz kann nur noch den Körperrumpf befreien, der Kopf ist plötzlich auf dem Würfel installiert und spricht Techno-Quatsch. Nach einigen Zwischenspielen gelingt es Dutz, den Kopf wieder auf seinem alten Körper zu befestigen, womit der Untergang der teuflischen Maschine und der Aufgang der Sonne und mit ihr der „wahren“ Welt (in Form von Vogelgezwitscher) besiegelt wird. Auch dieser Teil dauert eine Stunde und endet mit dem Applaus von tausend Kindern.

Dennoch ist F.K. Waechters Parabel, wie sich aus der Geschichte, der Länge und den Reaktionen der jüngeren Zuschauer entnehmen läßt, tatsächlich erst für Kinder ab 8 Jahren geeignet. Und auch für diese hat die 88er Basler Inszenierung des Autors, der auch Bühne und Kostüme besorgte, oft zu wenig Knalleffekt, um zu dauerhafter Begeisterung beizutragen. Daß das Jungvolk dennoch gebannt bei der Stange bleibt, liegt an der bizarr-brillanten Art der beiden Darsteller. Michael Altmann als lispelnder Ungeduld Kiebich und Hans-Werner Kraehkamp als der liebenswert-tölpelige Frischling Dutz schaffen den leicht verrückten Zauber, der der Erzählung über die Dauer doch oft abgeht. Till Briegleb