■ Über den deutschen Umgang mit Bürgerkriegsflüchtlingen
: Die Scham ist vorbei

Ähnlich hilflos wie die Kollegen von der „großen“ Außenpolitik verfallen auch die Innenminister von Bund und Ländern in Handlungsstarre, wenn es um den Krieg im früheren Jugoslawien geht. Auch hier wird die Politik des Unterlassens zum bequemsten gemeinsamen Nenner, der in umgekehrtem Verhältnis zur Dramatik der Lage steht: seit Monaten schon, und die derzeit tagende Innenministerkonferenz wird es besiegeln, versetzt die deutsche Innenpolitik jugoslawische Kriegsflüchtlinge in eine rechtlich, sozial und psychisch bedrohliche Situation. Nein, man tut nichts gegen diese Menschen. Man unterläßt nur, etwas für sie zu tun: da wird auf Beschluß der Innenminister ein Abschiebestopp nicht verlängert, da laufen deswegen aufenthaltsrechtliche Duldungen aus, da wird deshalb die Sozialhilfe als Lebensgrundlage gestrichen.

Nicht offen, aber immer offensichtlicher stiehlt sich die deutsche Politik auch aus dem schmalen Handlungsrahmen heraus, den sie angesichts des Bürgerkriegs noch hat: die Scham ist vorbei, die Geduld überstrapaziert, die Humanität verbraucht, die öffentlichen Kassen geleert. Wer nicht direkt aus Bosnien stammt, soll gefälligst nach Hause gehen.

Nein, schiere Hartherzigkeit ist das nicht – eher Rückbesinnung auf einen nationalen Egoismus. Tatsächlich hat Deutschland ungleich mehr Balkan- Flüchtlinge aufgenommen als alle anderen europäischen Staaten. Das muß man anerkennen, aber unter lauter Drückebergern ist es auch leicht, zum Edelmann zu avancieren. Länder, Kommunen und Privatpersonen haben oft Großes geleistet, um den Bürgerkriegsflüchtlingen ein Stück Sicherheit zu bieten. Sie sind am Ende ihrer finanziellen und psychischen Ressourcen – auch das muß man anerkennen, aber es ist auch leicht, die Grenze der Belastbarkeit zu beschreien, wenn man alles getan hat, sie zu erreichen.

Seit Monaten fordern Städte und Gemeinden, der Bund möge einen Teil der Flüchtlingskosten übernehmen. Beim Asylkompromiß sollte das Problem endlich geregelt werden. Statt dessen wälzt man es so weit nach unten ab, bis es auf der niedrigsten Stufe explodiert: Die Staaten der Europäischen Union sind weiterhin nicht bereit, die ungleichen Flüchtlingskontingente unter sich zu verteilen, der Bund weigert sich weiterhin, die Länder zu entlasten, und die nördlichen Bundesländer mit geringen Flüchtlingszahlen sperren sich weiterhin, den Süd-Ländern zu helfen. Am Ende bleibt die Last an bankrotten Kommunen und Einzelpersonen hängen. Was eine rat- und tatlose Außenpolitik nicht schafft und eine chronisch nicht zuständige Bundespolitik nicht will, sollen nun Badenweiler und Großburgwedel, Iserlohn und Oberpfaffenhofen lösen. Auch eine Art, weltpolitische Verantwortung zu übernehmen. Vera Gaserow