■ Die Bundesregierung beschloß ein Entschädigungsgesetz
: Steuergeld in Junkerhand

„Und wo ist mein Garten?“ soll der spanische Anarchistenführer Durruti den Besitzer einer Apfelbaumplantage gefragt haben, als der sich als Eigentümer aufspielte. Wem etwas gehört, ist eine gesellschaftliche Frage. Die Mächtigen definieren Besitz als rechtmäßiges Eigentum – immer so, daß sie und ihresgleichen dabei gut wegkommen. Und daß es in ihr politisches Kalkül paßt. Das jetzt vom Kabinett verabschiedete Entschädigungsgesetz, das den von den Sowjets enteigneten Junkern und Großgrundbesitzern erkleckliche Beträge aus der Steuerkasse zuschanzt, ist ein weiteres Beispiel dafür.

Die DDR sollte ausgelöscht werden, Deutschland wieder zur „Normalität“ eines ungeteilten Landes zurückkehren. Das war das Anliegen der Politiker, die 1990 am Einigungsvertrag mitgewerkelt haben. Anstatt Tabula rasa zu machen und die ostdeutschen Realitäten als Ausgangspunkt anzuerkennen, wurden die meisten Besitzverhältnisse in der DDR als unrechtmäßig definiert. Die Vermögensverteilung vor der Gründung des ostdeutschen Staates hingegen bekam den Glorienschein der Gerechtigkeit.

Viele in den Westen geflohene Alteigentümer konnten sich ihre jahrzehntelang verloren geglaubten Häuser und Betriebe wieder aneignen. Die Junker, Schloßherren und Industriellen, denen die sowjetischen Besatzer 1945 bis 1949 ihre Felder und Firmen abgenommen hatten, mußten zunächst verzichten: Das war der Tribut, der für das sowjetische Ja zur deutschen Einheit nötig war. Natürlich zeterten die Betroffenen über die Ungerechtigkeit und liefen zum Bundesverfassungsgericht. Die Richter hielten einen Bruch der Zusage an Gorbatschow für politisch nicht wünschenswert, erkannten ihnen aber aus Gleichbehandlungsgründen das Recht auf Entschädigung zu.

Die Macht der Eigentümer in Deutschland zeigte sich einmal mehr daran, wie die Bundesregierung den Junkern Schritt für Schritt entgegenkam. Eigentlich wollte Finanzminister Theo Waigel sich nicht noch einen Milliardenklotz ans Bein hängen und ging deshalb die glücklichen Alteigentümer um einen Obulus an. „Das ist ungerecht!“ schrien die erwartungsgemäß. So lange hätten sie auf ihr Eigentum verzichten müssen, und jetzt sollten sie auch noch dafür zahlen. Nun bekommen die 1945 bis 1949 Enteigneten Geld aus der Staatskasse. Auch wenn sie auf die Auszahlung der Schuldscheine noch ein Jahrzehnt warten müssen, so ist es doch weitaus mehr, als sie nach dem letzten Entwurf hoffen durften. Der Abstand zu den Alteigentümern, die ihre Liegenschaften zurückbekommen haben und doch nicht wie vorgesehen durch die Zahlungen in den Fonds belastet werden, sei sonst zu hoch, hieß es zur Begründung. Eine derartige Schlechterstellung wäre „ungerecht“.

Blechen für diese „Gerechtigkeit“ müssen die SteuerzahlerInnen. Auf Entschädigung für fehlende Kindergartenplätze, Büchereien oder Schwimmhallen dürfen sie allerdings nicht hoffen. Diesen Zwangsverzicht nennt man hierzulande nämlich nicht Ungerechtigkeit, sondern Solidarität. Annette Jensen