Italiens Medienzar stützt die Neofaschisten

■ Berlusconi, Herrscher über das italienische Privatfernsehen, tritt in Hugenbergs Fußstapfen Neofaschist als Roms Bürgermeister favorisiert

Rom (taz) – Der Knaller, mit dem Italiens Medienzar Silvio Berlusconi Dienstag nacht seinen Eintritt in die aktive Politik verkündet hat, könnte lauter nicht sein: Nicht nur eine eigene Partei will er gründen und in der nach den erdrutschartigen Wahlergebnissen vom Sonntag verwaisten „Mitte“ ansiedeln, er hat auch schon seinen Wunschpartner ausgemacht: die neofaschistische Partei, die in Rom und Neapel viele Wähler gewonnen hat: Er würde keine Sekunde zögern und seine Stimme bei den Stichwahlen am 5. Dezember dem Chef der neofaschistischen MSI, Gianfranco Fini, geben – und nicht dem Grünen Francesco Rutelli, der von den Linksdemokraten (PDS), der „Rifondazione comunista“, der „Alleanza democratica“ und zahlreichen bürgerlichen Gruppen unterstützt wird.

Die meisten Kommentatoren des Landes stehen seither Kopf: Als „Schwarzer Kavalier“ beschimpft die Tageszeitung La Repubblica Berlusconi in Anspielung auf die Uniformfarbe der Faschisten, und La Stampa aus dem Hause Fiat nennt den ersten Schritt des Mailänders auf der politischen Bühne „einen schweren Fehler“. Gegrummelt wird auch im eigenen Haus des Großunternehmers, dem neben den Fernsehstationen „Canale 5“, „Retequattro“, „Italia 1“ auch noch Europas zweitgrößte Verlagsgruppe, Mondadori, und ein ganzes Stadtviertel – Milano II – gehören: Landesweit geschätzte Journalisten wie der Chef der Tagesschau von Canale 5, Enrico Mentana, haben bereits mit Kündigung gedroht, „sollte Berlusconi seine Sender zur Durchsetzung seiner Politik nutzen wollen“.

Seit Wochen schon hatte Berlusconi Signale in Richtung einer Parteigründung ausgesandt, dann aber ebensooft wieder dementiert; daß er nun so entschieden auftritt, hat vor allem mit drei Vorgängen zu tun, die ihm ganz und gar nicht passen: Erstens ermittelt die Staatsanwaltschaft in immer höheren Etagen seiner Fernsehanstalten wegen mutmaßlicher Schmiergeldzahlungen an das Postministerium bei der Vergabe von Sendefrequenzen, und da ließe sich eine mögliche Anklage gegen ihn gut als politische Verfolgung verkaufen. Zweitens lehnten die „Ligen“, Wahlsieger in Oberitalien, es ab, sich von ihm unterstützen zu lassen: für sie steht Berlusconi für das alte Regime der Sozialistischen Partei von Bettino Craxi, mit dem er eine innige Freundschaft gepflegt hat.

Drittens, und das hat wohl den Ausschlag gegeben, hat der Erdrutsch bei den Teilwahlen am vergangenen Sonntag nahezu alle bisherigen Ansprechpartner Berlusconis von der politischen Bühne Roms weggefegt, und er braucht dringend neue Kontakte. Der Neofaschist Fini, bislang im politischen Spektrum isoliert, möchte nun nach seinem persönlichen Erfolg in Rom (35,6 Prozent, nur vier Prozent weniger als sein grüner Gegenkandidat) und dem der Mussolini-Enkelin Alessandra in Neapel (31,1 Prozent) schnell weiter vorankommen und bei den nationalen Wahlen im Frühjahr seine bisherigen 5,6 Prozent zumindest verdoppeln. Er ist daher für die unerwartete Hilfe dankbar und hat sich schon ohne Umschweife bereit erklärt, Berlusconis Interessen in Rom nach Kräften zu unterstützen. Werner Raith

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