Motivierter Einstieg, böses Erwachen

■ Fachtagung legt Mängel in der Krankenpflegeausbildung offen     Von Vera Stadie

Bei der Ausbildung der KrankenpflegerInnen an Hamburger Kliniken liegt einiges im argen – das zeigte die „Erste Hamburger Fachtagung zur Krankenpflegeausbildung“. Im Bürgerhaus Wilhelmsburg trafen sich gestern 675 angehende Krankenschwestern und Krankenpfleger. „Die Zahl der Anmeldungen hat unsere kühnsten Erwartungen übertroffen“, sagt Anja Keuchel, UKE-Krankenschwester, die die Tagung mit vorbereitet hat.

Die Azubis aus verschiedenen Hamburger Kliniken stellten schnell fest, daß es nicht ihre individuellen Probleme sind, mit denen sie sich in der Ausbildung plagen. „Mach du mal die Spritze“, so hieße es schon in den ersten Tagen, berichtet Markus Richter, Pflegeschüler im dritten Lehrjahr am Heidberg-Krankenhaus. Sie würden zum Teil gar nicht angeleitet: „Das grenzt an gefährliche Pflege“, die dem Patienten schadet. So könne es passieren, daß jemand „totgepflegt“ wird, weil ein Azubi das falsche Medikament spritzt.

Als billige Arbeitskraft würden die Auszubildenden auf den Stationen mißbraucht. „Teilweise werden wir als Schüler richtig verheizt“, erzählt eine Schülerin aus dem Altonaer Kinderkrankenhaus. „Am ersten Tag auf der Station sollte ich ein Kind baden und das hat mir kein Mensch gezeigt“.

Die PflegeschülerInnen an Hamburger Krankenhäusern kämpfen überall mit ähnlichen Problemen. Schon während der Ausbildung fühlen sie sich ausgebrannt, die gestern angebotene „Burn out“-Arbeitsgruppe war gut besucht. „Manchmal bin ich den ganzen Tag herumgerannt und frage mich abends wozu, das ist unbefriedigend“, berichtet Markus Richter. Die gravierenden Mängel in der Ausbildung seien mitschuldig an der anhaltenden Flucht aus den Pflegeberufen, meint Anja Keuchel. Auch Maren Friedmann, Azubi im dritten Jahr am AK Altona, ist unzufrieden: „Wir fangen die Ausbildung hochmotiviert an“, aber beim ersten praktischen Einsatz auf der Station nach dem vier- bis sechswöchigen theoretischen Einführungsblock sei für viele das Erwachen „schnell und böse“.

Ein himmelweiter Unterschied zwischen erlernter Theorie und Praxis täte sich auf. Nur ungenügend eingearbeitet müßten die Azubis dann „zügig voll mit anpacken“. Immerhin gelten Auszubildende als „Ein-Siebtel-Kraft“, auf sieben PflegeschülerInnen wird eine Stelle eingespart.

Angesichts der Ausbildungsmisere hat der Personalrat des AK Altona vor einigen Tagen die Einstellung von 25 Auszubildenden zum 1. April abgelehnt. Begründung: zuwenig und nicht ausreichend eingearbeitetes Personal in der Krankenpflegeschule. Eine umfassende qualifizierte Ausbildung sei wegen der Arbeitsüberlastung auf den einzelnen Stationen nicht gewährleistet. Das AK Altona wies gestern die Vorwürfe des Personalrates zurück: „Die Qualität der Pflegeausbildung im AK Altona war stets gewährleistet und entspricht einem modernen Standard.“