Sanssouci
: Vorschlag

■ Myrna Loy im Knaack

Einst war Myrna Loy eine wunderschöne, amerikanische Filmschauspielerin. Ein zierliches Geschöpf, mit einem eigensinnigen Katzengesicht und mystisch verschatteten Augen, das orientalische Tänze vorführte und später auf dem Zelluloid der dreißiger Jahre als Sophisticated Lady zum Kult geriet. Myrna Loy brillierte in Screwball Comedies und verfärbte dunkle Machenschaften à la Dashiell Hammett ins Rote, sogar ins Tiefrote. Myrna Loy blieb Geheimnis, von Charisma umschleiert.

1988 beschloß Myrna Loy unerwartet eine Wiedergeburt als Band, und das ausgerechnet am Rhein, und das noch ausgerechneter in Bonn. Myrna Loy wechselte das Geschlecht zum Männlichen hin und vervierfachte sich. Myrna Loy blieb aber immer noch schön. Die Spaltung schuf vier Kosmen, deren universales Wissen zu einer flirrend unscharfen Verbindung von durchsichtigem Pop, Jazz, Dancehouse, Ambient und Industrial zusammenfloß. Der Gitarrist von Myrna Loy kam vom Punk her, der Bassist war vor der Reinkarnation einmal Christian-Death-Fan, und der Keyboarder amüsierte sich hin und wieder mit Techno-Maxis. Der Sänger aber, Victor D., erhebet seine Hände und Stimme und preiset im Tone die Schöpfung, die unter aller Kreatur eben Myrna Loy hervorgebracht hat.

1989 plazierten sich ihre Hoheit Myrna Loy mit dem Debütalbum „I Press My Lips In Your Inner Temple“ neben Jingo De Lunch und den Einstürzenden Neubauten als einzige deutsche Band unter den zwanzig Besten der Spe/WOM-Jahresverkäufe. Das sagt erst mal gar nichts, denn Victor D. erhebet seine Stimme, und es tönen die Himmel. Victor D. singt immer schön, und vielleicht deswegen nannte man das dritte Album der Band auch „Immer Schön“. Weil Myrna Loy dem Geheimnis verpflichtet ist, preiset Victor D. den Gesang in fremden Zungen. Ganz und gar seltsam ist die Textsynthese aus deutsch und englisch, die entfernt ans Mittelhochdeutsche erinnert. Ganz und gar seltsam, geheimnisvoll und immerschön wie eine Göttin. Auf „Immer Schön“ sorgt Göttin sei Dank eine wohlgeerdete, fast schmutzige Gitarre dafür, daß man sich von Victor D.s androgynem, vagen Schattengesang nicht völlig in den Kosmos katapultieren läßt. „Immer Schön“ ist unwidersprochen auch die schönste unter allen drei Myrna-Loy-Reliquien: Und die winzige Prise (immerschöner) Marc Bolan, INXS oder Mike Oldfield können nicht verhehlen, daß hier ein gar romantischer Phönix aus seiner eigenen Asche gestiegen ist. Anke Westphal

Myrna Loy, heute ab 21 Uhr im Knaack-Club, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg.