Als Geschenk in den Tod

Die ersten Tiere werden schon vor Weihnachten ausgesetzt / Zweiter Schub bei Schulanfang / Weder Müllschlucker noch S-Bahn ist zu widerlich  ■ Von Christian Arns

Schon kurz vor Weihnachten geht es wieder los: Jedes Jahr werden Hunderte Tiere im Heim in Lankwitz abgegeben, die irgendwo gefunden wurden, wo sie die Kurzzeit-Besitzer aussetzten. „Nach wie vor sind Streicheltiere ein häufiges Geschenk“, sagt Carola Ruff, Pressesprecherin des Tierschutzvereins, „die sind einfach nicht aus der Mode zu kriegen.“ Ein kleiner Hamster oder ein weiches Meerschweinchen werde oftmals als geeignetes Geschenk für Kinder angesehen. „Gerade als Überraschungsgeschenk sind Tiere aber völlig ungeeignet“, wiegelt Ruff kompromißlos ab, es sei schlicht „verantwortungslos“.

Kinder wollen Dinosaurier oder Computerspiele

Kinder seien mit einem Lebewesen völlig überfordert, wenn sie sich damit nicht vorher befaßt hätten, sagt sie. Wenn ein Kind den Wunsch geäußert und sich mit dem damit verbundenen Zeitaufwand beschäftigt hätte, spräche nichts dagegen. „Oft sind es aber die Großeltern, die selbst nie ein Tier haben durften, und die nun ihrem Enkel eine Freude machen wollen“, weiß sie aus Erfahrung. Selbst die Eltern des Kindes seien manchmal nicht eingeweiht. Ob das Kind sich überhaupt ein Tier wünsche, sei den Käufern oft gar nicht bewußt, ärgert sich die Tierschützerin, „die meisten wollen Dinosaurier oder ein Computerspiel“.

Verständnis für diese Art der Überraschung hat auch Lydia Seifert nicht: Die Besitzerin eines Zoo-Fachgeschäfts in Reinickendorf spricht Käufer daher an, wenn sie merkt, daß diese nicht für sich selbst einkaufen. „Die kriegen von mir nicht uneingeschränkt ein Tier in die Hand gedrückt“, stellt sie klar. Wüßten Eltern nichts von dem Geschenk, bekämen Großeltern keinen Hamster von ihr, auch nicht, wenn das Kind noch zu jung sei: „Für ein Dreijähriges ist ein Tier nichts, fünf oder sechs sollte es auf jeden Fall sein.“

Am schönsten sei es, wenn sich die Kinder im Geschäft ein Tier aussuchen könnten: „Manche gucken gebannt auf einen Vogel, wollen ihn nur ansehen. Was soll so ein Kind mit einem Hamster, den es gar nicht streicheln möchte?“

Daß Tiere trotzdem weiter den Gabentisch beleben, weiß Carola Ruff aus leidvoller Erfahrung. Vier Schübe teilen die Mitarbeiter im Lankwitzer Tierheim ein: Direkt vor und während der Weihnachtstage werden die ersten Tiere abgegeben, „die nächsten kommen zum 6. Januar, wenn die Schule wieder losgeht.“ Auch Ende Januar würden regelmäßig zahlreiche Tiere ausgesetzt, „da werden wahrscheinlich die ersten Klassenarbeiten geschrieben, oder die Eltern bestrafen damit ihre Kinder“. Und wenn später die Familien in Urlaub fahren, wird wieder einigen das Weihnachtsgeschenk lästig – kurzerhand wird es ausgesetzt oder sogar weggeschmissen.

Den angeblichen Tierfreunden ist dabei kein Weg zu widerlich, sich des Kaninchens oder des Hamsters zu entledigen: Ob durch die Klospülung oder den Müllschlucker, keine Methode ist besonders selten. Letztes Jahr seien zu Weihnachten einige Meerschweinchen stundenlang in einer Plastiktüte mit der S-Bahn gefahren, bis sie gefunden und abgegeben worden seien, berichtet Ruff.

Kein Geschäft mehr mit Hunden und Katzen

Erfolgreich habe den Berlinern in den letzten Jahren vermittelt werden können, daß sich Hunde und Katzen nicht zum Verschenken eignen. „Da sind die Zahlen deutlich zurückgegangen, Anbieter und Kunden haben richtig gut mitgezogen“, lobt die Sprecherin. Diese Erfolge würden jetzt jedoch zunichte gemacht, da gerade Händler aus Polen oder zum Beispiel der Ukraine junge Tiere zu Billigstpreisen auf der Straße verkauften. Zehn oder zwanzig Mark müßten manchmal nur für ein Welpen gezahlt werden, im Geschäft könne der Preis kaum unter einigen hundert Mark liegen. Regelmäßig seien die Tiere viel zu jung, auch geimpft seien die wenigsten. „Möglicherweise freut sich das Kind wirklich, und dann stirbt das Tier nach wenigen Tagen“, beschreibt Ruff die daraus folgende Tragödie. Doch selbst wer sein Tier durchbekomme, spare nur selten Geld: „Sie tragen soviel Geld zum Tierarzt, da zahlen die meisten drauf.“ Selbst wer ein Junges vom Tier der Nachbarn geschenkt bekomme, müsse rund hundert Mark für die ersten Impfungen bezahlen, „soviel muß ein gekauftes Tier also mindestens kosten, sonst wird's mehr als verdächtig“.