Knastspezialist als Innenminister

■ Antonio Asunción hält nichts vom Dialog mit der ETA

Madrid (taz) – Vom neuen spanischen Innenminister Antonio Asunción (42), der am Dienstag offiziell ernannt wurde, weiß man vor allem eines: Er kennt sich aus in Sachen Terrorismusbekämpfung. 1988 war der aus der Mittelmeerstadt Valencia stammende Sozialist zum Generaldirektor für Strafanstalten ernannt worden. In den folgenden Jahren zeichnete er sich durch eine Politik der Verlegung von gefangenen ETA-und Grapo-Mitgliedern aus, die bis dahin auf wenige Knäste konzentriert waren.

Die Verteilung auf ganz Spanien löste erhebliche Proteste unter den betroffenen Gruppen aus, brachte aber den von Asunción erwünschten Effekt: Seit der Gruppendruck nachgelassen hat, sind immer mehr gefangene Etarras bereit, Hafterleichterungen anzunehmen oder sogar zu erbitten. Die Isolation hat außerdem zu einer zunehmenden Debatte unter den Gefangenen über die Notwendigkeit des bewaffneten Kampfes geführt. Vom Dialog mit der bewaffneten baskischen Organisation ETA hält der neue Innenminister allerdings nicht viel. Er setzt auf Repression und auf Reintegration reumütiger Etarras.

In diesem Punkt unterscheidet er sich von seinem Vorgänger José Corcuera, der vergangene Woche zurücktrat. Corcuera verbuchte zahlreiche polizeiliche Schläge gegen die ETA und ein attentatsfreies Olympiade- und Weltausstellungsjahr 1992 auf seinem politischen Haben-Konto. Während der letzten Jahre versuchte er – freilich erfolglos – neben der polizeilichen Represssion die ETA auch per Dialog zur Niederlegung der Waffen zu bewegen. Doch während seine Antiterrorpolitik auf Zustimmung stieß, hatte Corcuera große Probleme, den SpanierInnen seine Vorstellung vom Rechtsstaat näherzubringen. Das nach dem ehemaligen Elektriker, Gewerkschafter und Autodidakten benannte „Corcuera-Gesetz“ zur inneren Sicherheit, das ihm besonders am Herzen lag, war letzte Woche auch der Stolperstein, der zu seinem Rücktritt führte. Corcuera hatte das Gesetz 1990 gegen heftige öffentliche Proteste durchgeboxt. Nach seiner Ansicht schuf es die notwendigen Voraussetzungen für eine effektive Bekämpfung der Drogenkriminalität, im Volksmund hieß es: „Gesetz über den Fußtritt in die Tür“. Es sah vor, daß Sicherheitskräfte bei begründetem Verdacht auf eine Drogenstraftat auch ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl in Wohnungen eindringen dürften.

Gegen die weite und schwammige Definition des Begriffes „in flagranti“, der de facto die Unverletzlichkeit der Privatwohnung außer Kraft setzt, hatten sowohl die Linkskoalition „Izquierda Unida“ (IU) als auch die rechte „Volkspartei“ (PP) Klage erhoben. Vergangene Woche wurde der Paragraph von den Richtern des Verfassungsgerichts als nicht verfassungsgemäß beurteilt. Corcuera, der die Annahme des Gesetzes mit seinem politischen Schicksal verbunden hatte, trat daraufhin zurück. Freuen werden sich all diejenigen, deren Ermittlungsverfahren allein aufgrund des nun inkriminierten Paragraphen zustandegekommen sind. Ihre Verfahren müssen neu aufgenommen werden.

Und vielleicht werden ja nun auch die Fotos in der Presse ein Ende nehmen, in der bis an die Zähne bewaffnete Polizisten vor völlig eingeschüchterten Rentnerpärchen stehen, weil sie sich im Eifer des „begründeten Verdachts“ in der Wohnungstür geirrt hatten. Antje Bauer