Israelis töteten Hamas-Führer

Schwerste Unruhen seit Abschluß des „Gaza-Jericho-Abkommens“ im Gaza-Streifen / Hamas-Bewegung gewinnt Studentenwahlen an der Universität von Bir-Zeit  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Mit einer Panzerabwehrrakete zerfetzten israelische Soldaten des Sonderkommandos „Schimschon“ am Mittwoch den Führer des bewaffneten Arms der islamistischen Hamas-Bewegung, Imad Akal. Der 24jährige hatte sich auf dem Dach eines Hauses verschanzt. Nach Angaben des israelischen Militärs hatte Akal zuvor bei einer Straßenkontrolle aus seinem Auto geschossen und war anschließend in das Haus geflohen.

Akal war einer der von den Israelis meistgesuchten Palästinenser. Er soll persönlich für die Ermordung von elf israelischen Soldaten, einem israelischen Zivilisten und vier Palästinensern – angeblichen Kollaborateuren – verantwortlich gewesen sein. Akals Stellvertreter Abdel Fatah Satari, der mit ihm im Auto saß, wurde festgenommen. Bereits wenige Stunden zuvor war im Gaza-Streifen ein 18jähriges Hamas-Mitglied von israelischen Soldaten erschossen worden.

Der israelische Ministerpräsiden Jitzhak Rabin bezeichnete den Tod Akals als „großen Erfolg“ der isralischen Militärs und drohte „allen Mördern“ das gleiche Schicksal an. Nach Angaben israelischer Medien sollen noch 40 weitere Palästinenser auf den Fahndungslisten der Militärs stehen.

Im Gaza-Streifen kam es nach Akals Tod zu den schwersten Auseinandersetzungen seit der Unterzeichnung des „Gaza-Jericho-Abkommens“ zwischen der israelischen Regierung und der PLO- Führung vor zehn Wochen. Aufgebrachte Jugendliche griffen israelische Militärpatrouillen mit Steinen und Molotowcocktails an. Auf einer Hauptstraße in Gaza-Stadt wurde eine Handgranate auf eine Streife geworfen, die jedoch niemanden verletzte. In einem Nachbarbezirk wurden Soldaten beschossen. Nach palästinensischen Angaben schossen israelische Soldaten auf einen Demonstrationszug und verletzten mindestens 20 Personen zum Teil schwer. Ein 23jähriger Palästinenser wurde mit schweren Schußverletzungen am Kopf in ein Krankenhaus eingeliefert. Im gesamten Gaza-Streifen wurde zu einem dreitägigen Generalstreik aufgerufen. Der Appell wurde auch von der von PLO-Chef Jassir Arafat geführten Fatah unterstützt. Der bewaffnete Arm von Hamas, kündigte in einer Erklärung an, den Tod Akals „mit Gottes Hilfe“ zu rächen.

Zuvor war an der Universität von Bir-Zeit in der Westbank bei den Wahlen zum Studentenrat eine gemeinsame Liste von Hamas, der „Demokratischen Front zur Befreiung Palästinas“ (DFLP) und der „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP) als Sieger hervorgegangen. Die drei Gruppierungen eint die Ablehnung des „Gaza-Jericho-Abkommens“. Während der letzten acht Jahre hatte die Fatah die Studenten der Uni „regiert“.

Zu den Wahlen am Mittwoch war die Fatah-Jugendorganisation Schabiba gemeinsam mit den anderen Befürwortern des Abkommens mit den Israelis, der „Demokratischen Palästinensischen Union“ und der „Palästinensischen Volkspartei“ (PPP) angetreten. Ihre Liste nannten sie „Jerusalem und der Staat“. Die Gegenliste lief unter dem Namen „Jerusalem Zuerst“. Der Name sollte die Ablehnung des von Arafat als „Gaza- Jericho-Zuerst“ verfochtenen Abkommens mit den Israelis signalisieren. Das Ende der Stimmauszählung wurde gestern mit besonderer Spannung erwartet, da es sich um die ersten palästinensischen Wahlen seit Unterzeichnung des Abkommens handelte. Die Gegner des Abkommens erzielten mit 1.290 Stimmen fast 100 mehr als die Befürworter. Von den 2.800 Studenten beteiligten sich fast 95 Prozent an der Abstimmung.

Das Ergebnis gilt als wichtiger Indikator für gegenwärtige Tendenzen in der palästinensischen Öffentlichkeit, vor allem unter den meinungsbildenden Schichten und bei der jungen Generation. Sie hat bei der Intifada eine entscheidende Rolle gespielt und dominiert zahlenmäßig die Bevölkerung.

Bir-Zeit war immer ein wichtiges Stimmungsbarometer, weil die Studenten aus allen Teilen der besetzten Gebiete zum Studium dorthin kommen. Ausschlaggebend für das Ergebnis waren vermutlich neu immatrikulierte, Studenten, die mit 800 fast ein Drittel der Gesamtzahl ausmachen. Unter den Kandidaten waren nur drei Frauen zu finden. Eine kandidierte für die Fatah, zwei Vertreterinnen der PFLP bei der Konkurrenz.

Der Führer der Fatah-Liste, Chaled Abu Jasser, erklärt nach Bekanntwerden des Ergebnisses: „Wir wollten die Studienbedingungen verbessern und den laufenden Friedensprozeß unterstützen.“ Die Liste „Jerusalem Zuerst“ hatte etwa die gleichen hochschulpolitischen Forderungen, unterschied sich aber eindeutig in der Ablehnung des Abkommens. Die Zusammenarbeit zwischen Hamas und den linken PLO-Gruppen PFLP und DFLP hat keine ideologischen sondern politisch-taktische Motive. Das Wahlergebnis schockte sowohl die israelischen Behörden, als auch die PLO-Führung in Tunis. Nach Meldungen des israelischen Rundfunks kam es in der Nacht nach den Wahlen zu schweren Unruhen und zu Überfällen von Fatah-Leuten auf das Studentenbüro der Universität. Angeblich soll Universitätspräsident mit Schließung der Uni gedroht haben. Vor den Wahlen war die Drohung verbreitet worden, Arafat wolle für den Fall das „die Falschen“ die Wahlen gewinnen, die Unterstützung der PLO für die Universität einstellen.