: Ende einer Kampagne
Nach Heitmanns Rückzug Kritik am „Mißmanagement“ der CDU-Spitze / Noch kein neuer Kandidat ■ Aus Bonn Hans Monath
Der unhaltbare Kandidat sollte wenigstens einen noblen Abgang bekommen. In der Haushaltsdebatte am Mittwoch hatten sich Kanzler Kohl und der CDU/CSU- Fraktionsvorsitzende Schäuble noch über Rudolf Scharpings Heitmann-Kritik empört. Keine 24 Stunden später war der so gestützte Kandidat keiner mehr: Nach zweieinhalb Monaten als offizieller Anwärter auf das höchste Amt im Staate trat der sächsische Justizminister gestern morgen von seiner Bewerbung zurück.
Bei ihrem Auftritt in der Haushaltsdebatte wußten Kohl und Schäuble längst vom Entschluß des ostdeutschen CDU-Politikers, den in Umfragen zuletzt Zwei Drittel der Deutschen als Bundespräsidenten ablehnten. Es ging nur noch um die Frage, wann Kohl den im Alleingang aufs Schild gehobenen rechtskonservativen Juristen loswerden könne. Verantwortlich gemacht wurde trotz aller Kandidatenkritik von liberalen CDU- Abgeordneten gestern eine „unerträgliche Kampagne“ (Kohl).
Einen „Befreiungsschlag“ hatte sich der CDU-Abgeordnete Horst Eylmann, Vorsitzender des Rechtsausschusses, noch vergangene Woche von einem Verzicht Heitmanns erhofft. Aber von einem Gefühl der Erleichterung war bei den gestern zu einer Sondersitzung herbeigerufenen Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion wenig zu spüren. Statt dessen waren viele CDU-Parlamentarier „sauer über das Mißmanagement von Kohl und Schäuble“. Übel vermerkt wurde, daß die Kandidatenfrage vom CDU-Vorsitzenden im Alleingang entschieden worden war. Daß Helmut Kohl die Fraktion überfahren und sein eigenes politisches Schicksal mit dem Heitmanns verbunden hatte, war offiziell kein Thema: Die Autorität des Kanzlers sei mit dem Ende dieser Kandidatur keineswegs angeschlagen, beeilten sich CDU-Generalsekretär Peter Hintze und Fraktionschef Schäuble zu versichern.
Den Theologen und ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden der Volkskammer, Richard Schröder, hatte Heitmann am Morgen als möglichen gemeinsamen Kandidaten aus dem Osten empfohlen. Die Sozialdemokraten, die bislang vom starren Festhalten der CDU an dem „stromlinienförmigen Konservativen“ (Wolfgang Thierse) profitiert hatten, könnten nun selbst unter Druck geraten, zumal mit dem Rückzug Heitmanns die Chancen für den SPD-Kandidaten Johannes Rau stark gesunken sind.
Auf eine Diskussion um Namen wollte sich Schäuble nach der Sondersitzung nicht einlassen. Er kündigte an, die Union wolle der SPD Gespräche anbieten. Er erwarte „sehr bald“ eine Antwort, ob es für einen gemeinsamen Kandidaten eine Chance gebe. Falls die Sozialdemokraten aber weiterhin an Rau festhielten und Gespräche über einen gemeinsamen Kandidaten ablehnten, werde die Union versuchen, gemeinsam mit den Liberalen einen Vorschlag zu erarbeiten. Die Liberalen hatten gegen Heitmann Hildegard Hamm-Brücher aufgeboten. Parteichef Kinkel zeigte gestern jedoch keine Bereitschaft, die FDP-Bewerbung zurückzuziehen.
Die Ablehnung eines gemeinsamen Kandidaten aus dem Osten durch die SPD brächte Kohl einen Vorteil: Der Kanzler könnte darauf verweisen, daß der mögliche Bewerber aus dem Osten an den Sozialdemokraten gescheitert sei. Gedacht ist die Botschaft für all jene, die einen Kandidaten aus den neuen Bundesländern favorisieren. Aufgewertet würde dann Roman Herzog, der das Manko aufweist, aus dem Westen zu kommen. Der Verfassungsgerichtspräsident wurde auch bislang schon als Alternative zu Heitmann gehandelt und ist auch für die CSU attraktiv.
Als Wunschkandidat Helmut Kohls für das Amt des Bundespräsidenten war Heitmann zum ersten Mal im August genannt worden. Mit seinen Äußerungen zur Rolle der Frau, zu konservativen Werten und zum Umgang mit der NS-Vergangenheit brachte der bis dahin wenig bekannte Justizminister nicht nur Ignatz Bubis, sondern auch CDU-Politiker wie Heiner Geißler und Rita Süssmuth gegen sich auf. Die organisierte rechtsextreme Szene kündigte im November eine „nationale Kampagne“ für die Wahl Heitmanns an. Selbst nachdem die CDU Heitmann eine professionelle Medienbetreuerin zur Seite gestellt hatte, hielten die Kontroversen um angeblich mißverstandene Äußerungen des Kandidaten an.
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