BKA-Chef will schärferes Strafrecht

■ Expertentagung in Wiesbaden über „alltägliche Gewalt“

Wiesbaden (taz) – Seit dem Desaster von Bad Kleinen hängt in der obersten bundesdeutschen Polizeibehörde in Wiesbaden der Haussegen schief: „Bad Kleinen hat das Haus erschüttert“, stellte der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Hans-Ludwig Zachert, schon zum Auftakt der gestern zu Ende gegangenen Arbeitstagung des BKA mit dem Titel „Aktuelle Phänomene der Gewalt“ fest. Er selbst habe sich aber keine Vorwürfe zu machen: „Da haben bestimmte Leute nicht nach den Regeln der Kriminalistik gehandelt.“ Um „solche Vorkommnisse“ künftig ausschließen zu können, plädierte Zachert für eine Zentralisierung von V-Mann-Führung und staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsarbeit – „ohne daß ich hier die föderative Struktur unseres Staatswesens in Frage stellen möchte“.

Rund 150 Kriminalisten, Soziologen und Psychologen haben sich in Wiesbaden drei Tage lang mit der sich ausbreitenden Gewaltkriminalität und mit der „alltäglichen Gewalt“ in den entwickelten Industriegesellschaften beschäftigt. Dennoch stand die „politisch motivierte Gewalt“ im Mittelpunkt der Erörterungen. Die Bereitschaft, Anschläge zu begehen, gewinne dabei eine besondere Brisanz aus dem Umstand heraus, daß Spreng- und Zündmittel „günstiger als in früheren Jahren“ zur Verfügung stünden. Ohnehin stellte Zachert fest, daß „Gewalt zu einem nicht unbedeutenden Teil ein nach Deutschland importiertes Phänomen“ sei. Das gelte gleichermaßen für gewalttätige Auseinandersetzungen im Milieu wie für die auf deutschem Boden ausgetragenen Konflikte ausländischer Extremisten. Die kurdische PKK sei da ein „extremes Beispiel“ – und die Anschläge der PKK nicht vorhersehbare Reaktionen „auf Ereignisse in der Türkei“. Einem Verbot der PKK in Deutschland wollte Zachert allerdings nicht das Wort reden. Das sei Sache des Innenministers.

Handlungsbedarf im kriminalpolitischen Bereich sahen die Experten aber „in jedem Fall“. Der Forderungskatalog an die Politik, den Zachert den TagungsteilnehmerInnen vorstellte, reichte von einer Erhöhung des Strafrahmens für Gewaltdelikte und einer Änderung der Strafvorschriften beim sogenannten Landfriedensbruch bis hin zur Beschleunigung von Strafverfahren. Auf heranwachsende Gewalttäter will Zachert „in stärkerem Maße“ das Erwachsenenstrafrecht angewandt sehen – und ohne den Großen Lauschangriff, eine fest etablierte Kronzeugenregelung und (noch) mehr Polizei sei das „Phänomen Gewalt“ ohnhin nicht mehr wirkungsvoll zu bekämpfen.

Zachert: „Wir müssen in die Lage versetzt werden, dem Recht Geltung zu verschaffen.“ Und wie will das BKA die „alltägliche Gewalt“ bekämpfen? Zachert zitierte Friedrich List: „Sozialpolitik ist die beste Kriminalpolitik.“ Klaus-Peter Klingelschmitt