Freund bei der Stasi: Senatorin tritt zurück

■ Traute Müller, Exponentin des linken SPD-Flügels, gab Senatsamt auf, da ihr Lebensgefährte als Stasi-Agent verdächtigt wird: „Ich stehe zu ihm“

Hamburg (taz) – Nur zwei Jahre hatte Traute Müller Zeit, als SPD- Senatorin in Hamburg gleich zwei neue Behörden (für Stadtentwicklung und Frauen) aus dem Boden zu stampfen. Gestern trat sie überraschend von ihrem Amt zurück. Ihr Lebensgefährte Kurt Wand hatte am Dienstag Besuch von der Bundesanwaltschaft (BAW) erhalten. Grund für die Heimsuchung: der Verdacht langjähriger geheimdienstlicher Agententätigkeit für das frühere Ministerium für Staatssicherheit.

Wand war für die meisten Beobachter der Polit-Szene der Hansestadt ein unbeschriebenes Blatt: Der Partner der Senatorin verfügte aber durch seine jahrelangen Tätigkeiten in den mittleren Funktionärskreisen der Hamburger SPD, aber auch durch seine Jobs als Unternehmensberater über Kenntnisse, die für das MfS von Interesse waren. So hatte er in den achtziger Jahren für den DGB- Nordmark ein „Küstenstrukturprogramm“ entwickelt, hatte aber als Stadtentwicklungs- und Regionalpolitikexperte auch intime Kenntnisse über die (wirtschaftspolitischen) Strategien der sozialdemokratischen Landesregierungen Hamburgs und auch Nordrhein-Westfalens. Der Vorwurf der BAW lautet demzufolge, Wand habe Informationen über SPD-Mitglieder, Aktivitäten und über die Parteiorganisation an die Stasi geliefert. Unter dem gleichen Verdacht steht auch die Hamburger SPD-Seniorenbeauftragte Ruth Polte.

Sie sei über diese Verbindungen niemals ins Vertrauen gezogen worden, vesicherte Traute Müller gestern bei ihrer Rücktrittserklärung. Es bestehe kein Anlaß für einen Rücktritt, da sie sich keine Verfehlungen vorzuwerfen habe. Ihre Entscheidung begründet die 43jährige mit privaten Motiven: „Ich habe mich entschlossen, zu meinem Lebensgefährten zu stehen.“

Die Kenntnis seiner Kontakte habe sie tief getroffen, sie begreife sie aber „aus seiner großen Verbundenheit mit der Geschichte seines Vaters“. Wands Vater war wegen der Mitgliedschaft zur Kommunistischen Partei von den Nazis verfolgt worden. In ihrem Partner, so Müller, spiegele sich die Zerrissenheit Deutschlands wider.

Traute Müller war vor ihrer Senatorentätigkeit vier Jahre lang Landesvorsitzende der Hamburger SPD gewesen. Sie zählte zum linken Flügel, ihre Tage als Senatorin galten bei einer möglichen Koalition zwischen SPD und Statt Partei als gezählt.

In ihrer Amtszeit hatte sie versucht, eine neue Planungskultur von unten (Runde Tische zur Stadtentwicklung, transparentere Behördenpolitik) einzuführen. Sannah Koch