Tadellose Filmmusik ohne Film

Die Rede, etwas klingt wie Filmmusik ohne Film, ist keineswegs tadelnd gemeint. Es steckt darin der utopische Gedanke an eine Musik, die sich vollends von der Herrschaft des bewegten Bildes befreit und ihre eigene bilderlose Dynamik wiederentdeckt hat. Dieses gilt für die Kompositionen Wolfgang Steffens, die anläßlich seines 70. Geburtstages im Forum der Musikhochschule zur Aufführung kamen.

Durch die Konstellation aleatorischer, improvisierter und notierter Abschnitte ist diese Musik vom Fragment durchsetzt, das doch immer wieder auf das kompositorische Ganze verweist. Das stellt Anforderungen an das Zusammenspiel der Musiker, wie auch an das Zusammenspiel des einzelnen Musikers mit sich selbst in der „Meditation für Violine Solo op. 52“; und das gelingt nur jenseits der Virtuosität, zu der neuere Musik neigt, um sich auf dem Kunstmarkt behaupten zu können.

Das Ensemble das neue werk hat dieserlei Allüren gewiß nicht nötig, was mit den ausdrucksstark aufgeführten Kompositionen von Albrecht Gürsching, Hans-Christian von Dadelsen und Dieter Einfeldt betont wurde. Albrecht Gürschings uraufgeführte „Clore-Music“ ist an William Turner orientiert; sie nimmt dessen Gegenständlichkeit auflösendes Prinzip auf und formt daraus „Bilder einer Ausstellung“ als Vertonung der Endzeit der Malerei: wieder ist es Bilderlosigkeit.

Uraufgeführt wurde ebenso Einfeldts Komposition „Betrachtungen“; der Gesangszyklus nach Gedichten von Eckart Kleßmann entfaltet Filmmusik ohne Film bis hin zum sozialen Bilderverbot. Auf einem Ton hielt sich die Schlußzeile von „Flüchtlinge“: „...voll Mitleids, / solange wir eins mit ihnen am Bildschirm.“ Und verklingen wird dieser Ton erst, wenn auch das im Gedicht Gemeinte ein Ende hat.

Roger Behrens