„Aber bitte nicht hier“

■ 1500 jugendliche Flüchtlinge ohne Eltern leben in Hamburg, viele sind obdachlos

In ihrem Lande herrscht Krieg oder Not, sie haben ihre Eltern verloren oder sind in Lebensgefahr durch Stammesfehden, die auch vor Kindern nicht halt machen. Manche werden von ihren Eltern in eine vermeintlich bessere Zukunft geschickt, andere machen sich auf eigene Faust auf die unheimliche Reise in eine vermeintlich bessere Welt. Hamburg ist „Endstation Sehnsucht“ für derzeit etwa 3000 Flüchtlinge, die jünger als 18 Jahre und ohne Begleitung sind. Das berichtete gestern Wulf Rauer, Landesvorsitzender des Hamburger Kinderschutzbundes auf einer Fachtagung zur „Situation der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge“ in Hamburg.

In der Hansestadt offiziell gemeldet sind 1500 Flüchtlinge unter 16 Jahren. Das seien 65 Prozent aller unter 16-jährigen Flüchtlinge, die sich ohne Begleitung in der Bundesrepublik aufhalten, so Rauer. Hamburg sei als Hafenstadt und Metropole auch in anderen Erdteilen bekannt und „trägt die Hauptlast in Deutschland“. Dazu kommen noch 1500 Flüchtlinge im Alter von 16 bis 18 Jahren, die zwar nach deutschem Recht als Minderjährige gelten, aber nach dem Asylrecht wie Erwachsene behandelt und abgeschoben werden.

Der überwiegende Teil der Flüchtlingskinder seien Jungen zwischen 14 und 16 Jahren, die meisten kämen aus Schwarzafrika und Rumänien, so Rauer. Die Zahl der AsylbewerberInnen gehe zur Zeit zurück, nicht aber die der minderjährigen Flüchtlinge. Wo die Kinder und Jugendlichen unterkommen, weiß scheinbar niemand in Hamburg so ganz genau.

In Wohncontainern für die Erstaufnahme von Minderjährigen gibt es derzeit 360 Plätze. Es sei schwierig, in Hamburg Flächen zu finden, nicht nur weil die Grundstücke knapp sind. Ist ein Platz gefunden, sei die gängige Reaktion der Anwohner: „Wie schön, daß sie die Kinder betreuen, aber bitte nicht hier“. Angemessen untergebracht und betreut sei höchstens ein Viertel der unter 16-jährigen. Weitere 300 bis 400 schlüpfen bei Verwandten oder in den Sammelunterkünften der Erwachsenen unter, viele seien obdachlos, schätzt Wulf Rauer.

Der Kinderschutzbund fordert, für alle Flüchtlinge bis zum 18. Lebensjahr müsse Kinder- und Jugendschutz Vorrang haben. Sie müßten „zuerst als Kinder und Jugendliche behandelt werden“, das Asylgesetz sei keine angemessene Möglichkeit, um über ihren Aufenthaltsstatus zu entscheiden. Ihnen müßte generell und ohne Asylverfahren der Aufenthalt in Deutschland gestattet werden. In keinem Fall dürfe ein unbegleiteter Minderjähriger in ein Drittland oder das Herkunftsland abgeschoben werden. Vera Stadie