Schuldenberg stopft Finanzloch

■ Senat macht 550 Millionen Mark neue Schulden / Statt Partei läßt sich mit einer gemeinsamen Sparkommission ruhigstellen   Von Florian Marten

Zufriedene Gesichter gestern morgen im Hamburger Senat. Die Teufelskerle aus der Finanzbehörde hatten wieder mal derart beeindruckend gezaubert, daß sogar den neuen politischen Freunden von der Statt Partei die Spucke wegblieb: Hamburg steckt zwar in der größten Finanzkrise seiner jüngeren Stadtgeschichte - die BürgerInnen bleiben jedoch vorerst von allzu sichtbaren Sparattacken verschont. Stattdessen will sich der Senat allein 1993 zusätzliche 550 Millionen Mark bei den Banken leihen und seine BürgerInnen so mit weiteren 330 Mark je Kopf (800 Mark je Erwerbstätigen) verschulden.

Stimmt die Bürgerschaft sowohl dem gestern eingefädelten Schuldencoup für 1993 als auch dem trickreich neugestrickten Stadthaushalt 1994 zu, dann kann die SPD - notfalls auch ohne die Statt Partei - vorerst ganz bequem weiterregieren.

Zunächst hatte es in der SPD-Spitze allerdings bange Gesichter gegeben: Hatte der Senat schon im Juni 1993 seine Einnahmeerwartungen kräftig nach unten korrigieren müssen, so brachte die offizielle Steuerschätzung im November ein zusätzliches abgrundtiefes Loch von ingesamt knapp 3 Milliarden Mark für die laufende Legislaturperiode.

Schlimmer noch: Da die staatlichen Finanzjongleure schon zuvor von einem bislang ungedeckten Loch von knapp 2 Milliarden Mark in den Jahren 1995-97 ausgingen, fehlten plötzlich insgesamt 5 Milliarden Mark. Dabei sind zusätzliche Risiken, so räumte Finanzsenator Wolfgang Curilla vorsorglich ein, noch nicht einmal berücksichtigt: Hält die Rezession an, verabschiedet Bonn seine Spargesetze und muß die Stadt mit ihren Bürgschaften von 184 Millionen Mark für die maroden Hamburger Stahlwerke einspringen, können schnell ein oder zwei weitere Milliarden fehlen.

Für die Zauberkünstler der Finanzbehörde kein Problem: Alle Risiken wurden verdrängt, der Zeitraum nach 1994 vorsorglich völlig ausgeklammert. Das Perspektivloch von 5 bis 6 Milliarden Mark schnurrte so auf eine Problem-Milliarde für 1993/1994 zusammen.

Von dieser Milliarde sägten die Jungs vom Gänsemarkt (Finanzbehörde) gleich weitere 180 Millionen Mark ab, um welche sie die Rücklage aus guten Tagen erleichterten. Blieb ein „Handlungsbedarf“, so Curilla, „von 820 Millionen Mark“.

Mit einem weiteren tiefen Schluck aus der Rücklagenpulle und einer zusätzlichen Kreditaufnahme von 550 Millionen Mark am Kapitalmarkt konnte das Loch auf nahezu unscheinbare 75 Millionen Mark eingedünnt werden, die 1994 gespart werden müssen.

Selbst von dieser vergleichsweise sanften Sparbrise bleiben die BürgerInnen in der heiklen Phase der neuen Regierungsbildung und den ersten rotgrauen Regierungsmonaten fürsorglich verschont: Eine gemeinsame Sparkommission von Senat und Statt Partei soll erst nach der Regierungsbildung gegründet und somit frühestens im Januar 1994 ihre Arbeit aufnehmen. Kurz: Die beamteten Zauberkünstler verwandelten die mehr als 5 Milliarden Mark schwere Finanzkrise in eine „globale Minderausgabe“ von 75 Millionen Mark, über deren Inhalt aber erst im kommenden Jahr öffentlich nachgedacht wird.

Der Preis für diesen Coup: Der stattliche stadtliche Hamburger Schuldenberg wird im Zeitraum 1993/94 auf 26 statt 25 Milliarden Mark steigen, wie ursprünglich beabsichtigt. Zudem wird das eigentliche Sparen auf den Zeitraum 1995 bis 1997 verschoben.

Schon heute rechnet die Finanzbehörde allein für 1995 mit einem „Handlungsbedarf“ von 1,5 Milliarden Mark: ein Loch von fast 10 Prozent des gesamten Hamburger Haushaltes. Curilla spitzbübisch: „Man darf uns doch nicht böse sein, wenn wir einfallsreich sind.“