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Keiner kann sich nachts gesundschlafen

■ Die Matratze soll sich der Wirbelsäule anpassen, nicht umgekehrt / Latexmatratzen sind empfehlenswert, da sie punktelastisch sind / Probeliegen ist beim Kauf unverzichtbar, denn die...

Ob bei der körperlichen Arbeit oder „nur“ am Schreibtisch, so ein Rücken macht viel mit. Denn wer viel sitzt, mutet seiner Wirbelsäule wegen schlechter Haltung meist mindestens soviel zu wie andere. Wenigstens nachts soll sich der geschundene Rücken erholen können. Doch wie liegt er am besten?

„Auf keinen Fall sollte man versuchen, den Rücken nachts gesundzuliegen“, rät Wolfgang Heinze ab. Der Verkäufer bei Betten Nordheim am Nollendorfplatz betont: „Die Matratze soll sich dem Rücken anpassen, nicht andersherum.“ Wer etwa ein Hohlkreuz habe, könne dieses durch entsprechende Gymnastik bekämpfen, keinesfalls aber schlafend. Extra hart zu schlafen, um der Beugung entgegenzuwirken, sei völlig falsch. Die richtige Matratze verschaffe nur dann Linderung, wenn das Liegen bequem sei.

Wichtig beim Kampf gegen Rückenschmerzen sei „die regelmäßige Entlastung der Wirbelsäule“, schreibt die Bremervörder Firma Thomas Sitz- und Liegemöbel: „Dafür muß sie während der Nacht in ihrer natürlichen Form gelagert werden.“ Zu schaffen sei das mit einer „Unterfederung, die sich dem Körper optimal anpaßt“.

Problematisch seien vor allem die Schultern und der Beckenbereich, erklärt der Abteilungsleiter einer Berliner Karstadt-Filiale. Hier sei der Druck des Körpers auf die Matratze am größten, hier müsse sie nachgeben. Latexmatratzen böten diesen Komfort fast immer, sie seien punktelastisch. Bei diesen müsse nur auf die Härtegrade geachtet werden, die vom Körpergewicht abhingen. Auch eine gute Federkernmatratze gebe nicht mehr überall nach; das „7-Zonen-Körperstütz-System“ eines Herstellers hält er jedoch für einen Werbegag: „In zwei Zonen soll die Matratze stark nachgeben.“ Es reicht, wenn der Rest nicht durchhänge. Diesen Vorteil böten auch die teureren Taschenfederkerne, wo jeder Zylinder einzeln in Stoff eingenäht sei. Ihr Ruf als Spitzenprodukt habe sich durch die Prüfungen bestätigt, so die Stiftung Warentest in Heft 5/91. In den Preislagen von 489 bis 1.690 Mark seien durchweg gute Ergebnisse erzielt worden. Daß die Kosten so differierten, läge an der unterschiedlichen Verarbeitung und am Aussehen. Was die Tester daran begeistert, ist fraglich, bleibt die Pracht doch meist unter Laken verborgen. Weitgehend zufrieden zeigte sich die Stiftung Warentest in den letzten Jahren auch mit den handelsüblichen Matratzen anderer Bauart. Die Fähigkeit, sich der Form der Wirbelsäule anzupassen, sei bei allen Arten deutlich erhöht worden: „Gute Körperunterstützung bedeutet also nicht mehr, daß die Matratze hart sein muß“, sind sich Prüfer und Händler einig. „Bei keinem Fabrikat bildet sich eine Kuhle heraus“, so die erfreuliche Meldung von Stiftung Warentest. Der Karstadt-Mitarbeiter erklärt:„Bei einem zu weichen Bett biegt sich der ganze Körper durch, obwohl der Rücken gestützt werden müßte.“

Abschreckendes Beispiel ist das Prospekt für die Stinnes-Baumärkte: Für 69 Mark wird ein zusammenklappbares Gästebett angeboten, auf dem sich ein Model räkelt. Doch selbst an den Knien, wo ein liegender Körper ausgesprochen wenig auf die Matratze drückt, sinkt die, die zum Kauf animieren soll, auffällig tief in den Schaumstoff. Lästige Gäste, die einfach nicht wieder abreisen, wird es mit diesem Hilfsmittel kaum noch geben.

Angenehmer, wenn der Partner unbemerkt bleibt

Wer sich selbst besser behandeln möchte, sollte dem eigenen Gefühl ruhig trauen, so Heinze. „In Ruhe probeliegen“, empfiehlt er den Kunden. Die Matratze, auf der sich ein Kunde wirklich wohlfühle, könne so ungesund nicht sein. „Das Probeliegen ist ohnehin am wichtigsten“, meint Lydia Franzen vom Matratzen Stop in der Steglitzer Albrechtstraße. „Was soll ich einem Kunden erzählen, daß er sich auf einer anderen besser fühlt?“ Die Filialleiterin hält es für unmöglich, verbindliche Beurteilungen zu treffen, jeder schätze an der jeweiligen Art etwas anderes. „Eine Latexmatratze ist zwar atmungsaktiv, aber manche haben einfach das Gefühl, daß sich bei Federkern die Hitze nicht so staut.“ Die Punktelastizität der Latexprodukte hält sie allerdings bei großen Matratzen für einen entscheidenden Vorteil: „Wenn sich der Partner dreht und wälzt, dann ist es schon angenehmer, wenn man davon nichts mitbekommt. Bei Federkern spürt man das schon sehr deutlich, da geht's rauf und runter.“

Der Komfort hat allerdings seinen Preis: 400 Mark ist meistens die absolute Untergrenze für Latexmatratzen, Obergrenzen gibt es – falls überhaupt – erst jenseits der 2.000 Mark. Von Federkernmatratzen deutlich unter 300 Mark könne er nur abraten, warnt der Karstadt-Mitarbeiter. Zu schnell breche einer der Zylinder, außerdem sei die Ummantelung häufig schlecht verarbeitet. Kein Verständnis habe er jedoch, wenn Kunden „noch mal 500 Mark drauflegen, um eine etwas dickere Polsterung zu haben. Eine gute Auflage nutzt mindestens soviel, kostet aber keine hundert Mark.“

Zu Matratzenüberzügen, die innen kunststoffbeschichtet sind, rät die Umweltberatungsstelle Berlin denen, die gegen Hausstaub und vor allem Hausstaubmilben allergisch sind. Die undurchlässige Beschichtung mache „jede vorhandene Matratze für die Hausstaubmilbe quasi unbewohnbar“. Gegen Stauballergie helfe oft schon eine normale Auflage, die jedoch häufig abgesaugt werden müsse – möglichst in Abwesenheit des Allergikers. Christian Arns

Mit der Vermeidung von Rückenschmerzen beschäftigt sich auch der Bericht zu Küchen auf Seite 45.

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