: Einmaleins des sanften Reisens
■ Ein brauchbarer Ratgeber der Naturfreundejugend
Es gibt zwar zahllose Merkblätter, Flugblätter, Bücher und Broschüren, die den sanften Tourismus als Alternative zum herkömmlichen Massentourismus propagieren. Daraus mag schlau werden, wer will. Nach zehn Jahren heftiger Diskussion unter sanften Touristikern und Naturschützern will die Naturfreundejugend jetzt die „Informationslücke“ mit einem „Handbuch für Urlaubsreisen, Jugendbegegnungen, Klassenfahrten“ schließen und damit direkt den touristischen Nachwuchs ansprechen. Sanft reisen will gelernt werden. Die Reisevorbereitung, von der Motivsuche bis zum Reisescheck, nimmt einen großen Teil im Buch ein: Was will ich im Urlaub? Wie will ich es? Stimmen meine Wünsche mit sanften Zielvorstellungen überein? Wo kann ich mich informieren? Was brauche ich alles?
Im Kapitel „Unterwegs auf sanfter Tour“ wird vor allem auf die umweltschädigenden Folgen von Massenverkehrsmitteln, Massenunterkünften und Sportarten hingewiesen. Dreh- und Angelpunkt der Belehrung sind die Benimm-Regeln, die sanfte Touristiker den Reisenden seit Jahren vorhalten. „Auf gewissen Sportarten, wie Helikopter-Skiing, verzichtet der sanfte Wintersportler von vornherein ...“, heißt es da beispielsweise; andererseits werden „Sperrzeiten und Sperrbereiche“ in Naturräumen selbstverständlich akzeptiert. Geht die Reise ins Ausland, dann heißt es: „Wir freuen uns, daß es im Urlaubsland nicht so ist wie zu Hause. Denn wenn ich das erwarte, sollte ich lieber daheimbleiben – das ist billiger.“ Das Kapitel Nachbereitung endet im „sanften Urlaubstest“: Damit prüfe sich jeder selbst, wie sanft er auf der Reise schon geworden ist. Selbstkontrolle ist angesagt.
Mit diesem Repertoire hat der Autor Frank Thiel nichts Neues präsentiert. Er hat das sanfttouristische Potential übersichtlich aufbereitet. Natürlich folgt Thiel auch dem Grundtenor der sanften Bewegung und transportiert die hehren Ansprüche, die mit dem „korrekten“ Verhalten verbunden wurden. Denn während der ganzen sanften Diskussion galt Benimm als Mittel, um den Tourismus weichzuklopfen. Mit persönlicher Moral sollte den zerstörerischen Folgen des harten Tourismus die Stirn geboten werden.
Daß es mit dem Verbrauch von Natur und Landschaft, den sozialen Belastungen der Bereisten, den Umweltproblemen bei uns und in den Zielgebieten „auf Dauer so nicht weitergehen kann“, schreibt auch Thiel. Aber die große Attitüde verpufft in diesem Ratgeber. Vielmehr mündet sie in der Aufforderung, sich das Reisen bewußt vorzunehmen und die gängigen Konsumangebote kritisch zu prüfen.
Diese sanfte Alternative ist einfach. Seit fast 100 Jahren, erklärte Thiel bei der Buch-Präsentation, pflegen die Naturfreunde das soziale Wandern. Jetzt habe sich ein neuer Schwerpunkt herausgebildet. Die Kampagne zum sanften Reisen, die der Touristenverein parallel zur Publikation gestartet hat, knüpft an die Tradition der Naturfreunde an. Weiterführendes Material für Lehrer und Organisatoren von Jugendreisen kann separat bei der Naturfreundejugend Deutschlands bezogen werden (Haus Humboldtstein, 53424 Remagen). Christel Burghoff
Frank Thiel, Kerstin M. Homringhausen: „Reisen auf die sanfte Tour“. Göttingen 1993, 24 DM.
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