Das schwarze Südafrika auf der Suche nach dem Land der Vorfahren

■ Die ersten der vom Apartheid-Regime vertriebenen Schwarzen kehren wieder in ihre früheren Dörfer zurück

Clarkson (taz) – Zum Schutz gegen das naßkalte Wetter hat Miriam Gambede sich in einen verschlissenen grauen Wollmantel gewickelt. Sie hockt auf der Vorderkante des nagelneuen Sofas mit rostbraunen Polstern und läßt keinen Zweifel aufkommen: „Ich bin so glücklich hier.“ Auf der Holzwand zum Schlafzimmer kleben Möbelprospekte als Tapete. 800 Mark kostete laut der Reklame die Garnitur, die im Wohnzimmer der Wellblechhütte steht. Die Augen der 63jährigen Frau werden wäßrig, als sie sich an frühere Zeiten erinnert: „Ich hatte drei Pferde, Kühe und ein paar Schweine.“ Sie ist ärmer denn je, aber zufrieden: „Ich bin wieder zu Hause.“

1977 war die schwarze Südafrikanerin zusammen mit der kompletten Volksgruppe der Mfengus auf Busse und Lastwagen gepackt worden und über 400 Kilometer weit in das Schwarzenreservat Ciskei verfrachtet worden. Seit fünf Monaten lebt Miriam Gamede wieder in Clarkson am Rande des T'zitzikama-Waldes, 150 Kilometer südwestlich der Hafenstadt Port Elisabeth. Sie ist eine von drei Millionen Südafrikanern, die während der 45jährigen Apartheidherrschaft mit Gewalt vertrieben wurden – und sie gehört zu der winzigen Minderheit von 25 Familien, die inzwischen wieder heimkehren durften.

500 weitere Familien hoffen, sich ebenfalls bald wieder in Clarkson niederlassen zu dürfen. Doch dazu fehlt vorläufig das Land. Die ersten Hütten stehen auf dem Gelände der 1839 gegründeten Missionsstation der Herrenhuter Mährischen Kirche. Aber die 8.000 Hektar fruchtbares Weideland, die die britische Königin Viktoria den Mfengus einst für militärische Dienste geschenkt hatte, gehören jetzt 19 weißen Bauern.

„Wir waren schon auf einer Farm und haben die Gräber unserer Vorfahren wieder gesäubert“, sagt der 73jährige Isaac Tempani von der „T'zitzikama Exile Association“ und fährt mit einem Augenzwinkern fort: „Wir wollten dem Bauern zeigen, daß wir unser Land wiederhaben wollen.“

Über 100 Dorfgemeinschaften aus dieser Gegend wurden vom Apartheid-Regime zwangsweise umgesiedelt und in Reservate gepfercht. Schon 1913 erließ Südafrika ein Gesetz, das den Landbesitz von Schwarzen auf 13 Prozent des Territoriums begrenzte – der Rest wurde für Weiße reserviert. Die Zwangsumsiedlungen erfolgten schließlich im Rahmen der „Konsolidierungspolitik“ der seit 1948 regierenden Nationalen Partei, die „schwarze Flecken“ in Südafrika beseitigen sollte. Der beste Boden wurde weißen Bauern zugeschustert, die Schwarzen mußten sich mit unfruchtbaren Gebieten zufriedengeben. Von den 120 Millionen Hektar (1,2 Millionen Quadratkilometer) südafrikanischen Territoriums können nur 15 Prozent für Ackerbau verwendet werden. Der Rest ist Wüste oder Weideland.

Landwirtschaftsexperte James Clarke beschreibt die Probleme der schwarzen Bauern im Reservat Transkei: „Mangels Traktoren können sie erst nach dem ersten guten Regen pflügen. Die ersten Niederschläge kommen manchmal erst im Januar, kurz vor Wintereinbruch. Das reicht kaum zum Reifen des Getreides. Selbst wenn mal alles gutgeht, fehlen die nötigen Zug-Ochsen.“

Miriam Gambedes Erinnerungen an die vom Apartheid-Regime ausgesuchte Heimstatt Keiskammahoek in der Ciskei sind noch schlimmer: „Es war so trocken, daß wir oft kein Wasser hatten.“ Im T'zitzikamma-Gebiet gibt es wieder genug Regen. Aber Susan Lund, Landwirtschaftsberaterin der Rückkehrer, sagt: „Das Land hat sich im Gegensatz zu früher verändert. Die Gemeinschaft weiß, daß sie nicht in der Lage ist, das Land so zu bearbeiten, wie es gegenwärtig genutzt wird.“ Angesichts des ausgezeichneten Weidelands hat sich der weiße Bauer Daan Landmann auf Milchwirtschaft spezialisiert. Neben dem Haus steht eine blitzende hochmoderne Melkanlage.

Der Aberwitz der „Konsolidierungspolitik“ des Apartheid-Regimes traf ironischerweise auch Landmann. Er mußte in den 70er Jahren den Familienhof nahe Queenstown aufgeben, weil das Gelände der Ciskei zugeschlagen wurde. Eine Erfahrung, auf der möglicherweise der Pragmatismus beruht, den er jetzt an den Tag legt: „Den Mfengus ist unrecht getan worden, und das muß korrigiert werden.“ Er kaufte 1983 seinen neuen Hof in T'zitzikama für rund 120 Mark pro Hektar. Jetzt will der Milchbauer, mittlerweile als bester Landwirt Südafrikas ausgezeichnet, jeden Hektar für 2.500 Mark an den Staat zurückgeben. Das Land würde dann der Mfengu- Gemeinschaft überschrieben werden, und sie könnte den Boden wieder an die Bauern verpachten. Susan Lund ist begeistert: „Dies würde der Gemeinschaft jährliche Einkünfte von 500.000 Mark verschaffen.“

Nur in Ausnahmefällen wurde Land, von dem schwarze Südafrikaner vertrieben wurden, verkauft; meistens befindet sich der Ackerboden noch in Regierungshänden. In Südafrikas neuer Verfassung ist festgelegt, daß sich vertriebene Schwarze in Zukunft an eine Landkommission wenden können, die Gerichtsverfahren mit dem Ziel der Rückgabe oder der finanziellen Entschädigung einleiten kann. Willi Germund