Der Mörder und der Neonazi

Töteten Deutsche Ende Oktober die Fahrer eines UNO-Hilfskonvois in Bosnien? Die Informationen einer dänischen Zeitung und das wahre Gespräch mit „Udo“ und „Karl“  ■ Von Erich Rathfelder

Split (taz) – Waren es deutsche Söldner, die am 25. Oktober 1993 den dänischen Fahrer eines Hilfskonvois töteten, einen weiteren Fahrer sowie neun dänische Unprofor-Soldaten verletzten? Der britische Journalist Paul Harris hatte vor kurzem in der dänischen Zeitung Politiken von zwei Söldnern namens „Udo“ und „Klaus“ berichtet, die angegeben hätten, der Konvoi sei in einen Hinterhalt von Soldaten des „Kroatischen Verteidigungsrates“ (HVO) geraten. Die beiden Söldner hätten ihm gegenüber zu erkennen gegeben, sie selbst wären die Todesschützen gewesen, und hätten damit den inzwischen aufgehobenen Stopp der Hilfskonvois nach Zentralbosnien verursacht, der am 26. Oktober 1993 von UNO-Generalsekretär Butros Ghali befohlen worden war.

Diese Geschichte würde bedeuten, daß nicht – wie von der UNO zunächst behauptet – bosnische Soldaten den Stopp der Hilfslieferungen zu verantworten hätten, sondern deutsche Staatsbürger. Doch der tatsächliche Verlauf des Gesprächs, bei dem die beiden Söldner ihre Taten zugegeben haben sollen, läßt größere Vorsicht geboten erscheinen.

Die beiden Söldner, die mit richtigen Namen Udo und Karl heißen, trafen sich an jenem Abend Ende Oktober in Medjugorje mit Paul Harris, zwei finnischen Journalistinnen und dem taz-Korrespondenten zum Bier. Der etwa 40jährige ehemalige Fremdenlegionär Udo gab auf die Frage, ob die bosnische Armee die Fahrer erschossen habe, lediglich an, er dürfe dazu nichts sagen – außer, daß er „mit einem Schuß in den Rücken rechnen“ könne, wenn er die Wahrheit sage. Insgesamt erschien der Angetrunkene wenig glaubwürdig. Er hatte nämlich ebenfalls behauptet, die Stadt Gornji Vakuf sei kurz zuvor in die Hände des Kroatischen Verteidigungsrates gefallen, wobei er selbst und Karl an den Kämpfen teilgenommen hätten. Diese Information stellte sich bald danach als falsch heraus.

Der 20jährige Neonazi Karl hatte angegeben, erst eine Woche zuvor aus Deutschland zur HVO gestoßen zu sein. Der Ex-Fremdenlegionär Udo dagegen war nach eigener Aussage schon seit Beginn des Krieges in Bosnien- Herzegowina im April 1992 in vorderster Front gewesen und hatte vorher auf Seiten der Kroatischen Armee in Slawonien gekämpft.

Es ist nicht ausgeschlossen, daß zumindest Udo an der Front in Gronji Vakuf gekämpft hat, wenngleich diese dort stationierten Einheiten zur „Erholung“ und für ihre Sauftouren die näher gelegene Stadt Tomislavgrad bevorzugen, und nicht Medjugorje, das über 120 Kilometer weiter südlich liegt. Daß aber Einheiten der HVO an andere Orte versetzt werden, ist nicht ungewöhnlich. Udo erklärte, er würde in den folgenden Tagen in Mostar eingesetzt.

Es ist also nicht ausgeschlossen, daß Udo Kenntnis von den wahren Vorgängen hat, die zum Tode des dänischen Fahrers führten. Ebenfalls durchaus denkbar ist, daß die Aktion wirklich von der HVO mit der Absicht durchgeführt wurde, die Hilfslieferungen nach Zentralbosnien zum Halt zu bringen. Die Strategie, die „Moslems auszuhungern“, ist jedem kroatisch-westherzegowinischen Soldaten geläufig und wird nicht nur hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen. Eine Provokation gegenüber Hilfskonvois entspräche den politischen Rahmenbedingungen, die von der HVO-Führung vorgegeben wurden. Und es entspricht ebenfalls diesen Rahmenbedingungen, daß die moslemisch-bosnische Seite im Gegenteil dazu kein Interesse daran hat, die Fahrten der Hilfskonvois zu behindern.

Die Äußerungen, die Udo den Journalisten gegenüber gemacht hat, beweisen jedoch keinesfalls, daß die HVO die Schüsse abgegeben hat. Und keinesfalls ist damit klar, daß „deutsche Söldner den dänischen Fahrer erschossen“ hätten, wie dies in dem Politiken-Artikel suggeriert wird.

Ein Kriegsverbrecher ist Udo allemal: „Ich habe Spaß am Krieg, ich bin ein Abenteurer“, hatte er noch erklärt. Die 300 Mark Sold, die er im Monat bekäme, seien Taschengeld, um Geld gehe es ihm nicht. „Einige Tschetniks habe ich im kroatischen Krieg erwischt“, sagte er stolz. „Und jetzt töte ich Moslems. Ich bin hier, um Moslems zu töten. Es macht mir Spaß“, beteuerte er mehrere Male. Und sein angespannter Gesichtsausdruck ließ keine Zweifel aufkommen, daß er zumindest in dieser Frage aufrichtig blieb. So war es für die Journalisten angeraten, den Mörder und den Neonazi in dem Restaurant allein zu lassen.

Die Frage, ob der Söldner Udo an dem Überfall auf den dänischen Konvoi der Unprofor tatsächlich teilgenommen hat, blieb somit (zumindest vorerst) erst einmal ungeklärt.