Plebiszit der Studenten gegen Berlins Parlament

■ Neue Studienzeitverkürzung: Studis wollen Wahlperiode vorzeitig beenden

Berlin (taz) – Jetzt sollen die Abgeordneten schneller studieren. Das meinen die von Studienzeitverkürzung und straffem Stellenabbau betroffenen StudentInnen der Hauptstadt. Sie haben ein Volksbegehren eingeleitet, das zur Verkürzung der Legislaturperiode des Berliner Abgeordnetenhauses führen soll.

Ein Verfassungsexperte des Innensenators bestätigte, daß ein entsprechender Antrag der Studiosi eingegangen sei. 80.000 Stimmberechtigte müßten unterschreiben, dann wird amtlicherseits ein Volksbegehren betrieben. Gestern gingen Berliner Studenten für die Aktion auf die Straße.

150.000 StudentInnen gibt es an den 16 Berliner Hochschulen. Was den Studierenden für ihren Antrag zum Volksbegehren gerade genug, ist dem Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) entschieden zuviel. Unverantwortlich sei es, „die vielen Hochschulabsolventen in die Arbeitslosigkeit zu treiben“, sagte er im Wissenschaftsausschuß. Die Berufschancen will der Senator ausgerechnet durch einen Abbau von Professorenstellen verbessern. Die beiden großen Berliner Unis, die Freie und die Technische mit zusammen 100.000 Studenten, müßten „wieder studierbar“ gemacht werden. Die Große CDU-SPD-Koalition segnete Erhardts „Hochschulstrukturplan“ ab, der den Wegfall von 15.000 Studienplätzen bis zum Jahr 2003 terminiert.

Doch die drastischen Kürzungen, die den Stellenzuwachs an Professoren in der ganzen Bundesrepublik seit 1977 nahezu auffressen werden, wirken sich sofort aus. Die Technische Universität etwa hat eine einjährige Besetzungssperre verhängt, die als erstes Assistenten und studentische Hilfskräfte den Job kostet. Die aber tragen gerade in den technischen Studiengängen die Lehre fast im Alleingang. Die Folge waren diese Woche Studenten-Proteste, die gestern in mehreren Demos gipfelten. Insgesamt rund 5.000 StudentInnen blockierten den Ernst-Reuter-Platz und ein Stück Stadtautobahn in Steglitz. Auch die Studierenden der Humboldt-Universität, die von den Kürzungen nicht betroffen ist, setzten sich Unter den Linden auf die Straße.

Die Studierenden wollen, wie sie es nennen, die Lehrveranstaltungen auch am Montag „bestreiken“. Da steht im Berliner Abgeordnetenhaus ein Gesetz auf der Tagesordnung, das bis jetzt noch Studiengebühren und den „Staatseingriff“ enthält: das ist das Recht des Senators, Studiengänge aufzulösen. Inzwischen hat Manfred Erhardt erklärt, das sei vom Tisch. Aber das wird nicht verhindern, daß trotz aller Kürzungen an der TU bald ein neues Tutorium beginnt: 200 StudentInnen wollen sich auf ihr Volksbegehren vorbereiten. Christian Füller