„Es bleibt bei meinen früheren Bedenken“

■ Interview mit dem nordrhein-westfälischen Innenminister Herbert Schnoor (SPD), der den Verbotsantrag jetzt unterstützte, obwohl er sich lange dagegen ausgesprochen hatte

taz: Herr Schnoor, Sie haben sich lange Zeit gegen ein Verbot der PKK ausgesprochen. Jetzt unterstützen Sie den Verbotsantrag. Warum dieser Wandel?

Herbert Schnoor: Nach der jüngsten Anschlagsserie am 4. November war ein Verbot der PKK nach Auffassung der Bundesregierung nicht mehr zu umgehen. Ich verstehe die Entscheidung des Bundesinnenministers, und die nordrhein-westfälische Polizei hat ja heute auch alles getan, um die Entscheidung durchzusetzen. Gleichwohl bleibt es bei meinen früheren Bedenken. Der Schlüssel zur Beseitigung der Gewaltursachen liegt nicht in Deutschland, sondern in der Türkei. Jahrzehntelang hat die Türkei die Existenz von Kurden geleugnet und ihre Sprache verboten. In den letzten Jahren gab es zwar Versuche, zu einer politischen Lösung zu kommen, aber solche Ansätze sind wiederholt an der Gewalt der PKK und den militärischen Aktionen der türkischen Sicherheitskräfte gescheitert.

Die derzeitige türkische Regierung verfolgt einen absolut harten Kurs in der Kurdenfrage. Von Liberalisierung und politischer Lösung ist schon lange nicht mehr die Rede. Bestärkt das Verbot der PKK nicht die türkische Regierung, an ihrem Hardliner-Kurs festzuhalten?

Nein, diese Sorge halte ich für unbegründet. Wir haben heute in der Innenministerkonferenz auf mein Betreiben hin eine Entschließung verabschiedet, in der wir deutlich gemacht haben, daß die Bundesregierung gegenüber der türkischen Regierung darauf hinweisen muß, daß die Probleme in der Türkei mit politischen und nicht mit militärischen Mitteln gelöst werden. Ich glaube, daß wir mit diesem Beschluß eher die Tauben in der Türkei stärken.

Es gibt bei demokratischen Kurden die Befürchtung, daß das Verbot unentschlossene Kurden jetzt in die Arme der PKK treiben und die demokratischen Kräfte geschwächt werden könnten.

Es gibt eine ganze Reihe von kurdischen Organisationen, die mit der PKK nichts zu tun haben, und die demokratischen Kurden wissen, daß die jüngsten Anschläge dem Ansehen und den berechtigten Interessen der Kurden immens schaden. Ich sehe nicht, warum sich diese Gruppen nun um die PKK scharen sollten. Was man nicht ausschließen kann, ist ein Zusammenrücken der militanten Kader der PKK.

Die PKK hat eine Beteiligung an den Anschlägen in Europa offiziell immer bestritten.

Die Tatsache, daß die Anschläge wohlorganisiert und europaweit koordiniert stattgefunden haben, weist eindeutig auf die Urheberschaft der PKK hin.

Ein Verbot, so haben Sie früher gesagt, erschwert die Kontrolle der PKK. Gilt das nicht mehr?

Die Informationen über interne Vorgänge der PKK sind nach dem Verbot sicher schwerer zu gewinnen, doch diesen Nachteil muß man jetzt in Kauf nehmen, weil ein deutliches Zeichen gesetzt werden mußte, daß es für Gewalt in Deutschland keine Rechtfertigung gibt. Interview: Walter Jakobs