Sanssouci
: Nachschlag

■ Elisabeth Zündel im Theater zum Westlichen Stadthirschen

Foto: Urs Hildbrand

Über und über mit Theaterblut bekleckert steht sie da. Nackt bis auf die rote Polyesterspitzenunterwäsche. Grotesk tanzt Elisabth Zündel zu Joan Baez, lüstern züngelt sie bei Prince – und zwinkert verschmitzt, bevor sie unter die Gießkannendusche am Bühnenrand steigt. Ein Guß, keine Reinigung. Es bleiben rote Rinnsale auf der weißen Haut, Eidotter hängt noch am Bademantel, mit dem sie zürnend vorwärtsschreitet, erst jugendlich drängend, dann irritiert schlingernd, schließlich „friedlich und heiter im Alter“. Das Wandermotiv als Leitfaden des Abends führt vorbei an deutschen Abgründen und Höhenflügen, direkt ins Schwarze!

Elisabeth Zündel, Schauspielerin am „Theater zum Westlichen Stadthirschen“, eröffnet mit ihrer Vorstellung „Geburtstag“ eine unregelmäßige Performancereihe am Haus. Die Reihe soll ein Forum für SchauspielerInnen sein, Anregungen aus den laufenden Probenarbeiten separat (und einmalig) auf die Bühne zu bringen. Ein Abfallprodukt? Gewiß nicht. Elisabeth Zündels Assoziationen zu Elfriede Jelineks Stück „Wolken. Heim“, das im Januar in der Regie von Dieter Sudars Premiere haben wird, stehen für sich und sind intelligent und dicht verflochten. Jelineks Wortgeflecht aus Nietzsche-, Hegel-, Heidegger- und Hölderlingedanken, in die sich nahtlos RAF-Texte einfügen, finden sich als thematische Trümmerhaufen in Zündels Performance wieder.

Mit Ziegelsteinen behängt, schleppt sich die Schauspielerin herein, eine gepreßte Stimme intoniert in Höchstlagen Müllers Wanderlust. Steinschwer lasten die „Vergangenheits“-Ziegel auf ihr. Mit einem Vorschlaghammer nur steht der Weg frei zur Freiheit. Ein steiniger Weg: Mit brachialem Handwerkszeug und zitternd gesungenen Volksweisen erspürt Elisabeth Zündel die beklemmenden Facetten der Jelinek, ihre Kritik und ihren Intellekt, ihre Wut und ihre Wunden. Mit Kettensäge und Axt wird der Ort der Lust zerstört. Unter dem Bett zaubert die Performerin die „Töchter unerfüllter Wünsche“ hervor: Rohe Eier schleudert sie, begleitet von Spekulationen über deren unmögliche Zukunft, ohne Rührung an die Blechwände. Schaurig, schön und unerwartet komisch. So komisch, wie es ein Jelinek-Stoff kaum erwarten läßt. Leider ein einmaliges Vergnügen. Petra Brändle