■ Die Regierung von Sachsen-Anhalt ist zurückgetreten
: Verdienen statt dienen

Wes Geistes Kind er ist, offenbarte Sachsen-Anhalts Ex-Regierungschef Werner Münch auf dem Höhepunkt der Gehälteraffäre in einem Rundfunkinterview: „Wenn jemand für die Tätigkeit als Abgeordneter eine Aufwandsentschädigung von 5.000 Mark bekommt, und der Gesetzgeber hat bisher überhaupt keinen Nachweis verlangt, ob er dafür tatsächlich Fachliteratur gekauft oder seine Frau mit einem Brillanten erfreut hat, dann kann man das doch später nicht als Bumerang verwenden, weil er dieses Geld als früheres Einkommen angegeben hat.“ Mit diesem Argument offenbarte der Westimport aus Niedersachsen einen geradezu erschreckenden Mangel an Unrechtsbewußtsein, der allein schon ihn als Regierungschef eines deutschen Bundeslandes disqualifiziert.

Das Politikverständnis, das aus diesen Worten spricht, läßt sich recht einfach auf einen Punkt bringen: verdienen statt dienen. Die Bananenrepublik läßt grüßen. Ob noch ein Mensch in diesem Land darüber erschrecken kann, daß sich Münch auch nach seinem Rücktritt noch völlig im Recht wähnt? Erneut sind wieder die Medien schuld, die die Skandale ans Licht bringen, nicht die Politiker, die sie verursachen. Kein Schuldeingeständnis, keine Reue, weder bei Münch noch bei den meisten anderen Ministern, die in dieser Affäre unter Beschuß geraten sind. Einzig und allein Sozialminister Werner Schreiber räumte noch vor der Kabinettssitzung am Sonntag ein: „Wir haben Fehler gemacht, und die müssen wir jetzt ausbaden.“ Aber auch Schreiber verweist auf das Versprechen, mit dem der damalige Ministerpräsident Gerd Gies ihn und die anderen Wessis im Herbst 1990 an die Elbe gelockt hat: volles Westgehalt. Und daran hätten sie sich gehalten, betonen die betroffenen Regierungsmitglieder. Kein Gedanke daran, daß die Gesetze des Landes etwas anderes sagen, als der damalige Regierungschef vielleicht in der ersten Euphorie über den erdrutschartigen Wahlsieg der CDU in Sachsen-Anhalt versprochen hat. Kein Bewußtsein dafür, daß sie falsche Auskünfte über ihr früheres Bruttoeinkommen gegeben haben, um doch noch über Zuschüsse den vollen Westtarif zu bekommen.

In einem hat Ex-Sozialminister Werner Schreiber recht: die Zahl der Nichtwähler und der Protestwähler rechtsradikaler Parteien wird durch diese Affäre anwachsen. Die Wessis, die sich mit den Osttarifen nicht zufriedengeben, treiben dem rechten Rand die Wähler zu, die sich der Stimmabgabe nicht enthalten wollen. Eberhard Löblich