„Da hilft nur noch der ehrliche und saubere Neuanfang“

■ Reinhard Höppner, SPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Sachsen-Anhalt, über die Option Neuwahlen

taz: Herr Höppner, mit dem Abgang von Wirtschaftsminister Rehberger (FDP) war auch der Rücktritt von Regierungschef Münch (CDU) programmiert. Das Vertrauen zwischen Regierung und Bürgern sei in unerträglichem Maße gestört, kommentierte Rehberger seinen Rücktritt. Hat er sich mit der Opposition abgesprochen?

Reinhard Höppner: In der Tat haben wir das auch so formuliert, aber ich gehe nicht davon aus, daß er das bei uns abgeschrieben hat.

Es gibt ja auch andere FDP- Minister, die keinen Hehl daraus machen, daß sie es lieber mal mit der SPD probieren würden...

Der Rehberger-Rücktritt hing sicher damit zusammen, daß sich die FDP auch für die Zeit nach Ministerpräsident Münch ihre Regierungsfähigkeit erhalten wollte. Hierfür war dieser deutliche Schritt sicher eine Voraussetzung. Die FDP wußte wohl, daß sie nur mit einer derartigen Reaktion dem Ministerpräsidenten klar machen konnte, was die Stunde geschlagen hat. Ein weiteres Regieren mit diesem Ministerpräsidenten war nicht mehr möglich. Ich weiß im übrigen, daß die FDP bereit wäre, mit der SPD zusammen zu regieren, wenn die Mehrheitsverhältnisse im Landtag dies zulassen.

Die SPD hat bereits vor Münchs Rücktritt Neuwahlen gefordert. Die CDU wird dennoch weiter versuchen, die Krise mit der Bildung eines neuen Kabinetts zu überstehen. Was kann die SPD dagegen unternehmen?

Es gibt in diesem Landtag bereits jetzt keine regierungsfähige Mehrheit mehr. Die Zerstrittenheit in den Fraktionen der Regierungskoalition ist so tiefgreifend, daß jeder, der auf dieser Basis weiterregieren wollte, ständig befürchten muß, keine Mehrheit zu finden. Das galt für Herrn Münch, das würde auch für seinen Nachfolger gelten. Diese Situation läßt sich eben nur mit Neuwahlen, nicht mit einem neuen Kabinett auf alter Grundlage ändern.

Für Sie war demnach die Finanzaffäre nur Ausdruck des allgemeinen Verfallsprozesses der Regierungskoalition?

Es sind in den letzten Monaten – um nicht zu sagen: Jahren – viele Konflikte unter den Teppich gekehrt worden, die jetzt wieder mit hochkommen. Der Stoff für fortdauernde interne Grabenkämpfe ist einfach zu reichhaltig, als daß diese Koalition noch weiter regieren könnte.

Die Betroffenen haben bis zum Schluß den Vorwurf der Bereicherung bestritten. In seiner Rücktrittserklärung sagt Ex-Ministerpräsident Münch, weder ihn noch einen seiner Minister treffe „irgendeine Schuld“. Für Sie sind die Fakten eindeutig?

Also, was die Überbezahlung betrifft, kann man sich bestenfalls noch über die Höhe der Summe streiten. Worüber man sich nicht mehr streiten kann, ist, daß der Landesrechnungshof die Regierung bereits im Juli vergangenen Jahres auf diese unberechtigten Zahlungen aufmerksam gemacht hat. Die Regierung hat das bis hin zu massiven Falschaussagen gegenüber dem Landesrechnungshof zu vertuschen versucht. Noch im August dieses Jahres hat der Finanzminister gegenüber dem Landesrechnungshof erklärt, alles sei in Ordnung. Die fortgesetzten Lügen des Regierungssprechers wie des Ministerpräsidenten alleine waren Grund genug für den jetzt erfolgten Rücktritt. Eine Lügenregierung ist nicht zu halten.

Glauben Sie denn, mit ihrer Forderung nach Neuwahlen durchzudringen?

Wir sehen eine Reihe von Möglichkeiten, dieser Forderung Nachdruck zu verschaffen. Wir werden auf alle Fälle einen Antrag auf Auflösung des Landtages einbringen. Der braucht allerdings eine Zweidrittelmehrheit, die nicht ganz einfach zu erreichen sein wird. Dennoch bin ich sicher, daß wir uns mit dieser Forderung im Einklang mit der Bevölkerung befinden, die dieses Theater wirklich satt hat. Die ohnehin vorhandene Politikverdrossenheit, der schlechte Ruf, in dem die Politiker heute stehen – durch die jüngsten Ereignisse ist dies nur befördert worden. Da hilft nur noch der ehrliche und saubere Neuanfang.

Halten Sie es für denkbar, daß die FDP die Koalition verläßt und so den Weg für Neuwahlen freimacht?

Hätte sich der Ministerpräsident geweigert, zurückzutreten, wäre das mit hoher Wahrscheinlichkeit der Fall gewesen. Wie sich die FDP jetzt entscheidet, wird man abwarten müssen.

Wird es denn in einem künftigen Kabinett Höppner noch die Zulage für West-Minister geben?

Es wird vermutlich keine West- Minister mehr geben. Interview: Matthias Geis