Koalition knirscht am Haushalt

■ Streit um ABM-Finanzierung, 37-Mio-Topf, Neuverteilung der Lottomittel

Die Koalition entdeckt in Zeiten der Not die Stellen hinterm Komma. Aus dem 37-Mio-Topf, der im nächsten Haushaltsjahr als Manövriermasse zwischen den Ressorts zur Verfügung steht, ist jetzt ein 37,7 Mio.-Topf geworden.

Bei der Entscheidung, wie die zusätzlichen ABM-Stellen in Bremen mit Eigenmitteln ergänzt werden sollen, spielten sie gestern auf der Staatsrätekonferenz eine Rolle. 12,2 Mio. Mark braucht Arbeitssenatorin Sabine Uhl nach den neuesten Berechnungen, um damit ihr ABM-Programm aufzufüllen. Gestern einigten sich die Staatsräte auf eine Empfehlung, wo das Geld herkommen soll.

Fünf Millionen waren im 37- Mio.-Topf ohnehin schon als Komplementärmittel vorgesehen, durch die Entdeckung der Stellen hinterm Komma waren es dann schon 700.000 Mark mehr. Außerdem standen in dem Topf früher einmal rund 4,5 Mio. Mark für den Bau eines neuen Anlegers für das Asylschiff zur Verfügung. Weil jetzt davon keine Rede mehr ist, sollen 2,6 Mio. Mark von diesem „Reservegeld“ für ABM-Stellen zur Verfügung gestellt werden. Insgesamt sollen aus dem BSHG-19-Topf der Sozialsenatorin laut Empfehlung der Staatsräte „bis zu 4,3 Mio. Mark“ in ABM-Förderung umgeleitet werden, hieß es noch gestern nachmittag. Acht Staatsräte stimmten dafür, zwei enthielten sich, zwei waren dagegen. Werden alle Summen voll ausgeschöpft, hätte die Arbeitssenatorin 12,6 Mio. Mark beisammen.

Eine Entscheidung ist damit aber noch nicht gefallen, denn gestern abend setzte sich der Koalitionsausschuß mit dem Thema auseinander. Ein Ergebnis gab es bis Redaktionsschluß nicht. Dafür aber eine lange Liste von Themen, die in Bremens kleiner Regierung erörtert werden sollten.

Die Grünen wollen beispielsweise von den 4,5 Mio. Mark für das Asylschiff mehr Geld in die Projektförderung investieren, die FDP will eher Geld als Eigenmittel für das europäische Konversionsprogramm Konver zur Verfügung gestellt wissen. Auch über die leidige Streichung bei den Privatschulen müssen sich die Koalitionäre einigen. Das Thema steht jetzt das dritte Mal auf der Tagesordnung. Geplant sind vom sozialdemokratisch geführten Bildungsressort Kürzungen von 2 Mio. Mark, die FDP ist allerdings strikt dagegen.

Bekannt wurde gestern aus dem Hause des Finanzsenators ein Gesetz zur Änderung über die Abrechnungen der Gewinne aus Lotto, Toto und Lotteriemitteln. Es ist Teil eines Haushaltsbegleitgesetzes und sieht vor, die Zweckbindung der Gewinne aus dem Gesetz zu streichen und in die Verantwortung des Senats zu legen. Bisher ist im Totalisatorengesetz genau bestimmt, welche Verbände oder Ressorts Geld aus den Spieltöpfen bekommen. Beispiel: Von den Mitteln, die nach dem Totalisatorengesetz auf die Stadt Bremen kommen, gingen bislang je 25% an Bildung, Wissenschaft, Kunst, an Jugend und an Soziales sowie 12,5% an Gesundheit und Umwelt.

Das soll in Zukunft anders werden. Nach der Vorlage aus dem Haus des Reichs geht das Zockergeld per se erst einmal in den allgemeinen Haushalt ein, um dann vom Senat aufgeteilt zu werden. Ausgenommen sind lediglich die Bremer Volkshilfe, die vier Prozent vom Kuchen bekommt, und der Landessportbund mit 9,5%. Insgesamt belaufen sich die Einnahmen aus dem Wettgeschäft auf weit über 20 Mio. Mark, auf die sich der Finanzsenator den Zugriff sichern will.

Das trifft vor allem die Projekteszene, denn das Geld aus den Wettmitteln durften die Ressorts nicht für die Finanzierung von Regelaufgaben verwenden. Sie förderten deshalb mit Wettmitteln vornehmlich Projekte und Initiativen, die unausgesprochen damit natürlich Ersatzleistungen für fehlendes Regelangebot leisteten. Ersatzlos gestrichen wird im neuen Gesetzentwurf jetzt auch die Zulassung eines Totalisators, wenn „der Ertrag gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken zugute kommt“.

Auch der Modellversuch autoarme Innenstadt ist erneut Koalitionsthema. Dem Vernehmen nach haben die Grünen gestern auf ihrer Fraktionssitzung einen Forde-rungskatalog aus fünf Punkten aufgestellt, den sie in die Diskussion bringen wollten. Danach soll eine Koalitionsarbeitsgruppe unter Beteiligung des Bauressorts bis Januar untersuchen, wie man die Verdrängung des Autoverkehrs in die angrenzenden Stadtteile verhindern kann, wenn man in der Innenstadt die Fahrspuren reduziert. Außerdem wollen die Grünen die Zielsetzungen eines Modellversuchs autofreie Innenstadt neu formulieren und die Umsetzung bis zum Frühsommer nächsten Jahres garantiert haben. mad