„Wir sind keine Terroristen“

Seit Sonntag halten etwa 500 KurdInnen das Kurdistan-Zentrum besetzt / Das Kulturhaus war nach dem Verbot der PKK von der Polizei geschlossen worden  ■ Aus Frankfurt am Main Klaus-Peter Klingelschmitt

Im großen Saal tanzen die Männer zu orientalischen Klängen wie in Ekstase über den Parkettboden. Andere schwenken auf der Bühne wie wild rote Fahnen mit gelben Sternen – und die Menge schreit dazu: „Nieder mit der Türkei!“ Das seit Sonntag, 12 Uhr, besetzte Kurdistan-Zentrum im Frankfurter Multikulti-Viertel Gallus sprühte gestern vor Leben. Und um das Siegel der Polizei an der Hintertür kümmerte sich kein Mensch.

Noch am Sonntag hatte alles nach einer blutigen Auseinandersetzung zwischen Polizei, Bundesgrenzschutz und den Kurden ausgesehen. Kaum waren rund 300 Kurden – zwei Tage nach dem PKK-Verbot und der Zwangsschließung des Zentrums – in das Gebäude eingedrungen, setzten die Beamten nach. Mit Hammerschlägen versuchten Spezialeinheiten der Polizei die Stahltür zu öffnen. Drinnen hielten die Kurden dagegen. Durch einen Spalt in der Tür flog Tränengas. Als sich auf der Straße immer mehr Kurden versammelten, ging die Polizei mit Schlagstöcken und einem Wasserwerfer gegen die Menge vor – ohne Erfolg. Polizei und BGS zogen sich erst zurück, als die Kurden im Kulturzentrum drohten, das Gebäude anzuzünden. Achtzehn Kurden waren bei den Auseinandersetzungen festgenommen, später aber wieder freigelassen worden.

Gestern dann Paß- und Gesichtskontrolle am Eingang zum Kulturzentrum. Auch die Pressevertreter dürfen erst nach eingehender Prüfung der Papiere passieren. Mit schweren Holzbänken ist die Stahltür verrammelt. Drinnen haben sich an diesem Montag knapp fünfhundert Menschen versammelt – darunter auch Kinder und schwangere Frauen. In der kleinen „Volksküche“ herrscht Hochbetrieb. Pausenlos wird Tee ausgeschenkt, werden Fladenbrote mit Kebab gefüllt und Knoblauchsaucen angerührt. Die Musik und die Tänzer im Saal sorgen für Hochstimmung bei den BesetzerInnen.

„Wir sind keine Kriminellen und Terroristen“, erklärt ein junger Kurde, der die Sprecherfunktion für den Trägerverein übernommen hat. Der Verein habe mit der PKK nichts zu tun, auch wenn sich sicher PKK-Mitglieder im Zentrum aufgehalten hätten. Niemand sei hier nach seiner Parteizugehörigkeit gefragt worden, denn das Kurdistan-Zentrum sei ein „Kulturzentrum gewesen – und soll es auch bleiben“. Muttersprachlichen Unterricht für die Kinder habe man hier angeboten, sagt der Sprecher. Daneben fanden Deutschkurse, Theater- und Tanzworkshops statt. „Wir haben Bildungs- und Kulturarbeit gemacht und so auch dem deutschen Staat geholfen, Geld zu sparen.“

Ihre Forderungen sind klar: Das Kurdistan-Zentrum, das Anlaufstelle für Kurden aus dem ganzen Rhein-Main-Gebiet sei, solle umgehend wieder geöffnet werden. Es dürfe keine weiteren Festnahmen und keine Ausweiskontrollen in und vor dem Gebäude geben. Seit in der Nacht zum Montag gegen 3 Uhr Polizei und BGS das Gebäude noch einmal „belagert“ hätten, habe es allerdings keine weiteren „Provokationsversuche“ mehr gegeben, sagt der Sprecher erleichtert. Die Drohung, das Gebäude anzuzünden, falls die Gegenseite dennoch versuchen sollte, das Zentrum zu stürmen, werde aufrechterhalten.

Am frühen Nachmittag bieten eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter des Amtes für Multikulturelle Angelegenheiten sich den BesetzerInnen als Vermittler an – mit leeren Händen. Im Innenministerium in Wiesbaden hat Minister Herbert Günther (SPD) dagegen einen „kleinen Krisenstab“ ins Leben gerufen, um weitere Schritte zur umfassenden Durchsetzung des PKK-Verbots besser koordinieren zu können. An eine gewaltsame Lösung des BesetzerInnenproblems in Frankfurt, so die Informationen von Irene Khateeb vom Multikulti-Amt, werde dabei in Wiesbaden (vorerst) nicht gedacht.