Rotgrauer Nebel im Rathaus

■ SPD und Statt Partei hüten sich vor allzu großer Transparenz

Jürgen Warmke, Ex-CDU-Abgeordneter und Statt Partei-Mitglied, hat ein Problem: „Es gibt überhaupt keine Informationen aus den Verhandlungen. Von der proklamierten Transparenz ist wenig zu spüren.“

Stimmt. Selten waren Verhandlungen über ein Regierungsbündnis so undurchsichtig wie die Gespräche zwischen Statt Partei und SPD. Am Sonntag, nach gerade mal zwei Verhandlungswochen, wollen die beiden Delegationen die Beratungen beenden. Erfolgreich, versteht sich. Daran zweifelt niemand. Aber was kommt danach?

„Die wissen doch oft gar nicht, worüber sie reden“, beschreibt ein Mitglied der SPD-Verhandlungsdelegation seinen Eindruck aus den bisherigen Gesprächsrunden. Und damit einen Teil der Ursache für den rotgrauen Rathaus-Nebel aus unverbindlichen Statements, Ungewißheit über den Tag danach und vorfreudiger Einigungseuphorie, die besonders jene Sozialdemokraten ergriffen hat, die sich in den Wochen zuvor heftig gegen ein rotgrünes Bündnis gestemmt hatten. „Wir bohren hier dicke Bretter“, erzählt SPD-Fraktionschef Günter Elste wohlgelaunt in einer Verhandlungspause - und hält ein 0,5 Millimeter dünnes Holzblättchen in die Höhe.

Elste hat (fast) allen Grund zur Fröhlichkeit. Ihm dürften nur noch die Personalforderungen der Wählervereinigung Sorge bereiten. Neben dem Senatssessel für Wissenschaft und Kultur will Statt Partei möglicherweise auch den für Wirtschaft mit einem Kandidaten ihrer Wahl besetzen - ein Posten, auf den auch Elste ein Auge geworfen hat. Von derlei Ungemach abgesehen sind die Verhandlungen mit Statt Partei für den sozialdemokratischen Mitte-Rechts-Flügel ein Durchmarsch. Die von Voscherau, Schmidt, Elste und Co. geforderte „wirtschafts- und arbeitsplatzfreundliche und -fördernde Grundhaltung“ des künftigen Regierungsbündnissessamt dazugehöriger Großprojekte winkte die Wegner-Truppe locker durch. Auch beim Wohnungsbau, der Müllentsorgung,der Energie- und Verkehrspolitik - kein Widerspruch. Womit wir beim zweiten Grund für die starke Nebelbildung im Hamburger Rathaus wären: Rücksicht.

Würde die SPD den Verhandlungsver-lauf und die Ergebnisse präziser wiedergeben, der künftige Regierungspartner wäre schon geschwächt, bevor das Bündnis überhaupt zustande gekommen ist. Dem muß vorgebeugt werden. Auch wenn diese Art der Polit-Prophylaxe zuweilen nur schwer durchzuhalten ist.

Henning Voscherau fährt Markus Wegner in die Parade. Gerade will der Statt-Chefunterhändler die Unverbindlichkeit der Presse-Statements einmal durchbrechen, erklärt stolz, daß man sich auf die Einführung eines HVV-Semestertickets geeinigt habe, und will auch noch den Preis nennen - da legt der Senatschef seinen Finger an den Mund. Psst. Das geht zu weit. Wegner kommt gerade bis „hundertach...“, dann schweigt er wie befohlen.

Disziplinierung - auch in anderen Bereichen: Die Gespräche über die zentrale Forderung der Statt Partei - „Sparen, Sparen, Sparen“ - wurde in eine gemeinsame Haushaltskommission ge- und damit aufs nächste Jahr verschoben. Mit der vor den Sondierungsgesprächen von Statt geforderten Auflösung der Stadtentwicklungsbehörde (Steb) will sie sich jetzt erst gar nicht befassen. „Das ist doch Sache des Senats“, weist Statt-Unterhändler Klaus Scheelhase jede Zuständigkeit seiner Fraktion zurück. Und überhaupt habe man über die Stadtentwicklung schon verhandelt. Ein SPD-Verhandlungsteilnehmer versichert dagegen, daß über Stadtentwicklung noch gar nicht gesprochen worden sei, sondern nur über Wohnungsbauprogramme.

Wie's wirklich war im rotgrauen Nebel, darüber sollen Jürgen Warmke und die anderen Statt-Partei-Mitglieder am 12. Dezember aufgeklärt werden. Einen Tag nach dem Parteitag der SPD und drei Tage vor der geplanten Senatswahl.

Uli Exner