Frauenpolitik für jedes Land anders?

■ Frauen Europa Congress: Mit Protest Europa erobern

„Wenn wir uns nicht zusammenschließen, werden wir die Verliererinnen der europäischen Integration sein.“ Brigitte Dreyer, Organisatorin des „Frauen Europa Congresses“, will den Austausch von Frauen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Drei Tage lang wird nun im Congress Centrum ausgetauscht, gestritten, gefordert und im besten Falle erobert. Rund 330 TeilnehmerInnen aus neun Ländern sind nach Bremen gekommen; das Ambiente ist edel, die Referentinnenschar erlesen und der Eintritt teuer – 160 Mark. Prompt begann der Kongreß gestern morgen mit einer Demonstration: Rund 50 autonome Frauen/Lesben protestierten gegen die Eliteveranstaltung, warfen den „Vorzeigefrauen“ Mittäterinnenschaft im Europa der Ausgrenzung vor. Sie traten für eine weltweite Frauensolidarität ein und gegen die Verschwendung von Geldern: Während Frauenprojekten immer mehr der Geldhahn zugedreht wird, wurde dieser Kongreß von der Stadt bezuschußt.

„Ich habe das nicht als eine Gegendemonstration begriffen“, so Brigitte Dreyer. „Die weibliche Bescheidenheit muß endlich vorbei sein, deshalb sind wir auch ins Congress Centrum gegangen. Hier treffen sich hochkompetente Profifrauen, die Handlungsspielräume und Forderungen für eine europäische Frauen-Arbeitsmarktpolitik ausloten wollen.“

Das Stichwort lautet „Netzwerk“: Gemeinsamkeit beschworen die DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer und Bremens Frauensenatorin Sabine Uhl in ihren Eröffnungsvorträgen. Und solche Ansätze waren in der „Europäischen Netzwerkbörse“ zu finden: Im Foyer stellten sich die frauenspezifischen Förderprogramme von der Telekom über die Europäische Kommission bis zu den Prostituiertenvereinigungen „Huren wehren sich gemeinsam“ (Frankfurt) und „Nitribitt“ (Bremen) vor.

Letztere waren auf Einladung von Brigitte Dreyer ins Foyer gelangt, „denn die werden als Frauen, Huren und bei der Geldvergabe dreifach diskriminiert“. Ihre Hauptforderung, die Entkriminalisierung und Anerkennung als Berufszweig fiel allerdings etwas aus dem Rahmen der sonst üblichen Forderungen von Bildungswerken, Gewerkschaften, Unternehmen und Universitäten. Komisch geguckt haben allerdings nur die wenigen männlichen Kongreßteilnehmer.

Der erste Kongreßtag widmete sich hauptsächlich der Bestandsaufnahme, denn die Arbeitssituation von Frauen ist in den Ländern sehr unterschiedlich. Jill Rubery von der School of Management in Manchester nahm die „Feminisierung des Arbeitsmarktes“ in Europa unter die Lupe, denn mit Ausnahme von Luxemburg zeigt sich in allen EG-Staaten ein gemeinsames Phänomen – der Frauenanteil auf dem Arbeitsmarkt hat in den letzten Jahren zugenommen. „Nur weil es mehr Frauen dort gibt, bedeutet das aber noch lange nicht das Ende der Ungleichheit“, so Jill Rubery. Vielmehr könne diese „Feminisierung“ auch die Manifestation von Diskriminierung bedeuten, wenn Frauen nicht Geschlechterbarrieren durchbrechen, sondern in minderbezahlte, typische Frauenjobs wandern.

Jill Ruberys Forderung: „Die Beschäftigung von Frauen darf nicht nur auf das Eindringen in den Männerbereich reduziert werden.“ Und ihre Warnung: „Wir dürfen nicht davon ausgehen, daß eine bestimmte Frauenpolitik in dem einen Land auch gut für das andere ist.“

Das Ergebnis des Kongresses soll auch der Europäischen Kommission vorgelegt werden. skai