Ein Dankeschön für den Bundeskanzler

Türkische Zeitungen in Berlin begrüßen begeistert das PKK-Verbot – und sind nachdenklicher in den Kommentaren / Meist Erleichterung auch bei den Berliner Türken und Türkinnen  ■ Von Zafer Senoçak

Das in der letzten Woche verfügte PKK-Verbot wurde unter den Berliner Türken und Türkinnen mehrheitlich erleichtert aufgenommen. Unter diesen Berlinern sind auch viele, die ethnisch gesehen kurdischer Abstammung sind. Gerade Berlin war in den sechziger Jahren ein Magnet für Einwanderer aus den kurdisch besiedelten Regionen der Türkei. Wenn das Gefühl unter der Bevölkerung Erleichterung ist, so grenzt es in der türkischen Presse in Deutschland schon an Euphorie. Da die Türken Deutschlands in letzter Zeit zwar selbstbewußter auftreten, eine eigene Medienlandschaft aber bislang nicht aufbauen konnten, wird der deutsch-türkische Zeitungsmarkt (täglich erscheinen Zeitungen mit einer Gesamtauflage von über einer Viertelmillion) von den Giganten aus der Türkei, vor allem den beiden Tageszeitungen Hürriyet und Milliyet, beherrscht. Hürriyet scheint dabei auf dem Wege zu sein, eine zweisprachige Zeitung zu werden: „Danke, Herr Kohl!“ lautete da auf deutsch der Aufmacher der Berliner Ausgabe. Auch die meisten anderen Schlagzeilen auf der ersten Seite betrafen die PKK. Zum großen Teil waren auch die Kommentare der Zeitung an diesem Tag dem PKK-Verbot und seinen Auswirkungen gewidmet. Dabei wurde deutlich, daß hinter den emotional gehaltenen Schlagzeilen auch mit kühlem Kopf gedacht wird. In den Kommentaren nämlich wird darauf verwiesen, daß das PKK-Verbot den Druck auf die Türkei verschärfen wird, eine politische Lösung für das Kurden-Problem zu suchen. Nicht wenige Kommentatoren plädieren für eine solche politische Lösung, die die Existenz von Kurden in der Türkei als politischen und kulturellen Faktor anerkennen muß.

Noch vor fünf Jahren wären solche Forderungen wie nach kurdischen Dorfnamen, die in den letzten Jahren türkisiert worden sind, nach kurdischsprachigem Fernsehen und Kurdischunterricht an Universitäten undenkbar gewesen. Es wird so deutlich nicht gesagt, aber gedacht: Die vor allem in letzter Zeit den Kurden in der Türkei gegenüber kompromißlose Politik des Staates hat die PKK erst zu dem gemacht, was sie ist: zu einer Organisation, die alle das Fürchten lehrt. Auf der einen Seite steht der türkische Staat, der den Kurden die Anerkennung einer eigenen Identität verweigert, auf der anderen Seite eine extremistische Partei, die die Menschen mit Gewalt in eine ethnische „Identitätsjacke“ stecken will.

Daß es trotz dieser Spannungen in einer Metropole wie Berlin bisher relativ ruhig geblieben ist, ist auch dem Bewußtseinsstand der Einwanderer zu verdanken, die in einer Atmosphäre, die von Rassismus und ethnischen Konflikten beherrscht wird, nicht noch mehr solcher Konflikte schaffen und in dieser mühsam erarbeiteten neuen Heimat austragen sollen. Zudem noch ist der Lebensmittelpunkt der Einwanderer – vor allem ab der zweiten Generation – nicht mehr eine Türkei, die es zu verteidigen, oder ein Kurdistan, das es zu befreien gilt, sondern Deutschland, wo ein friedliches multikulturelles Zusammenleben ebenfalls zur Disposition steht. Dabei kommt es entscheidend darauf an, daß die Freiheit, sich zu einer ethnischen Identität zu bekennen, nicht das Recht einschließt, andere, die mit einer solchen Identität gebrochen haben, in diese zwingen zu wollen.