Schweiß und Selters

Neue Machtverhältnisse im Frauenfußball / Mit einem Sponsorenpool und einem findigen Manager stürmt die SG Praunheim zur Spitze  ■ Von Matthias Kittmann

Frankfurt (taz) – Eines eindeutigeren Beweises hätte es in der Frauenfußball-Bundesliga wohl kaum bedurft. Pokalsieger und Serienmeister TSV Siegen jagt bislang vergeblich dem Dorfklub GW Brauweiler hinterher, und Meister TuS „Heidi Mohr“ Niederkirchen verliert am letzten Hinrundenspieltag gar 0:3 zu Hause gegen den neuen ungeschlagenen Tabellenführer SG Praunheim. DFB-Trainerin Tina Theune-Meye hatte schon im Sommer prognostiziert: „Immer mehr Teenies rücken nach und rütteln an den Erbhöfen.“

Doch nicht nur die Nachwuchskickerinnen sind für den scheinbaren Antagonismus „Die Spitze ist breiter geworden“ verantwortlich. Denn mittlerweile haben auch im Damenfußball die blau und braun bedruckten Scheine ihren Siegeszug angetreten. Bis auf die Halbprofis des TSV Siegen kickten nämlich bislang die meisten Frauen der Bundesliga nur so zum Spaß gegen den Ball.

Doch dann hatte vor zwei Jahren ein findiger Sportmanager in der Bankenmetropole Frankfurt (wo sonst?) eine Vision: „Warum soll sich der Damenfußball nicht analog zum Damentennis entwickeln?“ Geträumt, getan. Siegfried Dietrich stieg beim ein Jahr zuvor in die Bundesliga aufgestiegenen Frankfurter Stadtteilklub SG Praunheim ein, und nun wurden ganz andere Saiten aufgezogen. Der Mann, dem Selbstdarstellung nicht gänzlich fremd ist, besorgte einen Sponsorenpool und verkündete ohne Scham: „In drei Jahren wollen wir Meister werden.“

Als erstes bekam dies das Männerteam von Praunheim zu spüren, das ab sofort nur noch auf dem Hartplatz trainieren durfte, damit es den Damen nicht den schönen Rasen kaputtmacht. Sodann machte der Herr aus dem Frankfurter Westen einige „unmoralische“ Angebote. Die Ungarin Edit Kern und Ex-Nationalspielerin Sissy Raith wurden aus München vom FC Bayern zu Vertragsverhandlungen eingeflogen – sie blieben gleich da. Nationalspielerin Katja Bornschein vom Lokalrivalen FSV Frankfurt und Pia Wunderlich vom nordhessischen Klub TSV Battenberg hatten nicht so weite Anfahrtswege, aber das Ergebnis war das gleiche.

„Deutlich über 200.000 Mark“ haben die Praunheimerinnen in ihrem Etat zur Verfügung, während die bisherige Nummer eins in Hessen, der FSV Frankfurt, Mühe hatte, 75.000 Mark zusammenzubekommen. In Praunheim, wo solvente Fans sich im VIP-Raum mit Lachscremesuppe und Schaumwein stärken können, wehrt man neidische Sticheleien der Konkurrenz lässig ab: „Jeder muß sehen, wo er bleibt.“ Im übrigen würden die anderen auch gerne wollen, wenn sie könnten. Sogar Dieter Hochgesand, sportlicher Leiter des vorläufig abgehängten FSV, gesteht: „Was die dort an Sponsoring aufziehen, verdient Respekt.“

Pikant an dieser Aussage ist, daß ausgerechnet mit ihm als Trainer Praunheim 1990 in die Bundesliga aufgestiegen ist. Im damaligen Spitzenspiel gegen den FC Bayern stellte der Klub den immer noch gültigen Bundesliga-Zuschauerrekord mit 2.200 Besuchern auf. Siegfried Dietrich ließ sich von der Euphorie anstecken. Während Ex- Sportjournalist Hochgesand beim FSV die neue Bescheidenheit predigt („Ich muß den Mädchen erst mal klarmachen, daß sie jetzt in der ungewohnten Rolle der Jägerinnen sind“), bricht Dietrich weiter munter ungeschriebene Gesetze. Als bekannt wurde, daß er der erfolgreichsten deutschen Goalgetterin Heidi Mohr ein sensationelles Angebot unterbreitet hatte, zieh man ihn schlichtweg der Blasphemie. Immerhin, Heidi Mohr hörte interessiert zu und versprach: „Wenn ich je wechseln sollte, dann zu euch.“

Was jedoch eine andere außergewöhnliche Maßnahme angeht, muß sich die Konkurrenz eher selbst an die Nase fassen. Vollkommen untypisch trainiert nämlich die Praunheimer „Neureichen“ eine Frau – Monika Staab, als Spielerin beim Aufstieg des Frankfurter Stadtteilklubs noch selbst mit dabei. Überraschend damals schon Herbstmeister geworden („Wir haben sechs Wochen lang gefeiert“), sind ihre Ambitionen mittlerweile gestiegen: „Wir wollen um den Titel mitspielen“, gibt sie sich genauso forsch wie der Manager. „Den Schampus gibt es nur für die Fans, bei uns fließt in der Winterpause Schweiß und Selters.“

Mag „Dagobert“ Dietrich bei der Konkurrenz oft nur schief von der Seite betrachtet werden, kann doch niemand verhehlen, daß der frische Wind aus Praunheim der Bundesliga merklich guttut. Denn professionelles Management haben die Vereine bisher gescheut wie der Teufel das Weihwasser. Die Aussicht jedoch, damit etwas Geld in die klammen Klassen zu bekommen, läßt die Mitbewerber nachdenklich werden. Schließlich ist Fußball mit 500.000 Aktiven die Teamsportart Nummer eins unter den Frauen.

Bislang noch drückt sich deren Selbstbewußtsein lediglich verbal aus. Wie etwa bei Maren Meinert, die Bundestrainer Gero Bisanz auf die Kritik, man könne doch bei einer EM einer Gegnerin nicht einen ins Aus gegangenen Ball holen, lapidar entgegnete: „Was tut man nicht alles, um einmal ins Fernsehen zu kommen.“ Aber auch Uwe Seeler hat mal klein angefangen.