Bosnien-Gespräche schleppen sich hin

Wiederaufnahme der Direktverhandlungen nach zweimonatiger Pause / Streit um Sarajevo neu entflammt / Adria-Zugang für Muslime erneut in Frage gestellt  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Nach zwei ergebnislosen Verhandlungstagen über den am Montag vorgelegten „Aktionsplan“ der Europäischen Union für ein Bosnien-Abkommen wollen die Vertreter der drei bosnischen Kriegsparteien noch am heutigen Mittwoch in Genf weiterberaten. Der serbische Präsident Slobodan Milošević und sein kroatischer Amtskollege Franjo Tudjman wollten hingegen noch gestern abend abreisen.

Nach Beratungen mit den zwölf EU-Außenministern hatten sich die nach Genf angereisten politischen Führer aus Bosnien, Kroatien und Restjugoslawien (Serbien/Montenegro) am Montag abend zur Wiederaufnahme ihrer im September abgebrochenen Direktverhandlungen bereit erklärt. Wie bereits am Montag lehnten Milošević sowie der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić auch gestern die von der EU verlangten Gebietskonzessionen an die Muslime entschieden ab und bekräftigten die „sofortige Aussetzung“ aller gegen Restjugoslawien gerichteten Wirtschaftssanktionen von UNO und EU. Darüber hinaus wurde bekannt, daß auch die im September getroffene Vereinbarung zwischen Tudjman und dem bosnischen Präsidenten Alija Izetbegović über einen gesicherten Landzugang der künftigen bosnisch-muslimischen Teilrepublik zur Adriaküste keinen Bestand mehr hat und neuverhandelt werden muß.

Der in Genf weilende Botschafter Bosniens bei der UNO in New York, Muhamed Sacirbey, beschuldigte den EU-Vermittler Owen, die Grundlage der neuen Verhandlungsrunde – den „Aktionsplan“ – bereits verlassen zu haben. Owen unterstütze das Ansinnen von Serbenführer Karadžić, statt dessen über den künftigen Status und die Aufteilung Sarajevos zu verhandeln. Die bosnische Regierung lehnt den jüngst von Karadžić unterbreiteten Vorschlag ab, derzeit von serbischen Truppen besetzt gehaltene Vororte der bosnischen Hauptstadt gegen muslimische Enklaven im Grenzgebiet zu Serbien einzutauschen. Offenkundig, so Sacerby, solle so ein durchgehend serbischer Landstreifen in Ostbosnien entstehen – zwecks späterem Anschluß an Serbien.

Einzig konkretes Ergebnis des „Aktionsplans“ ist bislang eine am Montag abend getroffene Vereinbarung über die freie Durchfahrt von Hilfskonvois der UNO. Allerdings trägt das inzwischen veröffentlichte Dokument, das im Inhalt weitgehend einer am 18. November von den politischen Führern der drei Kriegsparteien unterschriebenen und bis heute nicht eingehaltenen Vereinbarung, lediglich die Unterschrift der Oberbefehlshaber der bosnischen Regierungsarmee sowie der kroatischen Milizen. Bundesaußenminister Klaus Kinkel hatte am Motag vor der Presse erklärt, neben dem bosnischen Serbenführer Karadžić habe auch der Stellvertreter des nicht in Genf erschienenen bosnisch-serbischen Generals Ratko Mladić die Vereinbarung unterschrieben.

Am Rande der KSZE-Außenministerkonferenz in Rom deutete der Sprecher von US-Außenminister Warren Christopher, Michael McCurry, gestern an, daß Washington nach wie vor Bedenken gegen das von der EU vorgesehene Modell zur Auflockerung der Sanktionen gegen Restjugoslawien hat. Das Bonner Außenministerium trat daraufhin Vermutungen entgegen, die EU habe mit ihrem „Aktionsplan“ voreilige Konzessionen an die serbische Seite gemacht.

Einzig konkretes Ergebnis der Beratungen mit den EU-Außenminister war eine Vereinbarung über die Gewährung freier Durchfahrt für Hilfskonvois der UNO. Diese inzwischen veröffentlichte Vereinbarung trägt allerdings entgegen der ursprünglichen Darstellung von Bundesaußenminister Klaus Kinkel vom Montag abend nur die Unterschrift der militärischen Oberkommandierenden.

Unterdessen hat US-Außenminister Warren Christopher vor der KSZE-Konferenz eine Erhöhung der amerikanischen Bosnien-Hilfe um 150 Millionen Dollar angekündigt. Auch die Europäische Kommission hat ihre Hilfe um 32 Millionen Mark aufgestockt.